MENA WATCH – BioNTech-Erfolg: Freie Marktwirtschaft – oder staatlicher Geldschirm?

Von Luca Tannek. Der Börsen-Erfolg von Impfstoffherstellern wie BioNTech wird gerne als gelebte freie Marktwirtschaft und Startup-Wunder beschrieben. Doch beides trifft nicht zu.

Der Sommer 2021 war in Deutschland sehr regnerisch. Egal, ob man zu einer Garten-Party oder an den See ging, man war sich nie sicher, ob es nun wieder aus Kübeln schüttet oder nicht. Ein Regenschirm gehörte stets zur Standardausrüstung wie der Geldbeutel sowie der Hausschlüssel, bevor man das Haus verließ. Wie nervig. Weniger nervig wäre dieser Regen gewesen, wenn er nicht aus Wasser bestünde, sondern aus Geldscheinen. Und tatsächlich gab es so einen Geldschein-Regen diesen Sommer in der Bundesrepublik. Sogar schon im Frühling und Winter. Den haben Sie leider nicht mitbekommen, da er nicht im Freien stattfand. Sondern eher auf den Konten der BioNTech SE.

Laut Bundesregierung ist eine Impfung der einzige Weg aus der Covid-19-Pandemie. Aufgrund dessen wurden von mehreren Pharma-Unternehmen mRNA- und Vektor-Impfstoffe entwickelt und produziert. Die Vakzine sollen der Bevölkerung gespritzt werden, damit diese sich vor schweren Verläufen einer Erkrankung schützt und die Ausbreitung des Virus eindämmt. Soweit das Narrativ. Politiker und Journalisten himmeln die durchaus schnelle Verfügbarkeit des angeblichen Wunderheilmittels an und werben vor allem für mehr Marktwirtschaft. Explizit sticht bei den Lobeshymnen das Pharma-Unternehmen BioNTech aus Mainz hervor. Ugur Sahin und Özlem Türeci sind Gewinner des Kapitalismus und verkörpern Entrepreneur-Flair, lautet das Narrativ. Aber es gibt etliche Gründe, weshalb BioNTechs Erfolg sehr wenig mit einer freien Marktwirtschaft zu tun hat.

In einer freien Marktwirtschaft benötigen Unternehmen Geld. Sie müssen in ihre Ideen investieren, um eines Tages mit viel Fleiß, Kreativität und Glück Gewinne zu erzielen. Auf dem Kapitalmarkt gibt es für Firmen mehrere Möglichkeiten, an finanzielle Mittel zu kommen. Sie können einen Kredit aufnehmen oder Aktionäre anwerben. Ebenso können sie Finanzanlagen verkaufen oder – unabhängig von externen Geldgebern – ihre Gewinne reinvestieren. BioNTech hat keine dieser Alternativen in Anspruch genommen. Der Vorstand des Mainzer Unternehmens hat sich für einen anderen Weg entschieden. Nämlich für Sie. Ja, für Ihr Geld, sehr geehrter Leser. BioNTech hat im September eine Investitionssumme von 375 Millionen Euro aus dem Steuertopf des Bundes wortwörtlich geschenkt bekommen. Sie lesen richtig. Die Summe war ein Geschenk vom Steuerzahler und muss nicht zurückgezahlt werden. Während also zahlreiche Unternehmer um die Gunst von Investoren kämpfen müssen, konnte BioNTech auf die Regierung zählen und sich entspannt zurücklehnen. So funktioniert kein freier Markt.

Keine Marktwirtschaft ohne Haftung

Jeder Anbieter von Waren und Dienstleistungen möchte eine möglichst hohe Nachfrage sättigen und schwarze Zahlen schreiben. Dabei ist jedes Unternehmen auf das freie Kaufverhalten von Konsumenten angewiesen, die selbstständig entscheiden, ob das jeweilige Produkt ihren Präferenzen entspricht oder nicht. Im Optimalfall kommt es zu einem Wettbewerb der Anbieter. Betrachtet man nun die Nachfrage von BioNTech, wird schnell klar, dass nicht der einzelne Konsument, sondern die EU für die Bevölkerung einkauft. Und das, ohne zu wissen, ob jeder Bürger eine mRNA-Impfung möchte. Die Regierung setzt also beim Kauf voraus, dass jeder Steuerzahler des Landes ein Impf-Angebot in Anspruch nimmt. Da dies völlig utopisch ist, muss es zwangsweise zu einem Angebotsüberhang kommen. Und genau das passiert aktuell. Es werden viele Impfdosen weggeworfen, da über 30 Millionen Bürger keinen „Pieks“ möchten. Damit hat BioNTech seinen sagenhaften Gewinn in den ersten beiden Quartalen 2021 von 3,9 Mrd. Euro nicht dem freien Markt zu verdanken, sondern einer staatlichen Planwirtschaft. Das Gründerpaar muss nicht um das Vertrauen der Konsumenten werben, damit Geld in die Kassen gespült wird. Viel eher auf politische Entscheidungsträger, die Ungeimpften mit Restriktionen drohen.

Neben einer freien Kaufentscheidung der Konsumenten braucht eine Marktwirtschaft selbstverständlich auch eine klar definierte Rechtsgrundlage. Es müssen vor allem Eigentums- und Haftungsrechte definiert werden, um einen fairen Ordnungsrahmen zu schaffen. Der wahrscheinlich größte Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft, Walter Eucken, begründet das Haftungsprinzip folgend:

„Investitionen werden umso sorgfältiger gemacht, je mehr der Verantwortliche für diese Investitionen haftet. Die Haftung wirkt insofern also prophylaktisch gegen eine Verschleuderung von Kapital und zwingt dazu, die Märkte vorsichtig abzutasten. Nur bei fehlender Haftung kommt es zu Exzessen und Zügellosigkeit.“ 

Vereinfacht gesagt: Das Unternehmen haftet für seine Investitionen und für den Verkauf seiner Produkte. Es ist rechtlich verpflichtet, verantwortungsvoll zu handeln. Vergleicht man diesen Grundsatz des Freiburger Ökonomen mit den Impfstoffdeals, kann man nur die Stirn runzeln. Die Hersteller der Vakzine müssen nämlich nicht unbedingt für Impfschäden aufkommen – und das trotz des Umstands, dass ihre Produkte eine Sonderzulassung haben und die Gewinne in die Höhe schießen. Rudolf Ratzel, Vorsitzender des Ausschusses Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins, stellt fest:

„Soweit mir die Beschaffungsverträge mit den Herstellern bekannt sind, ist dort eine interne Freistellung vereinbart werden. Das heißt, sollte aufgrund dieser öffentlich empfohlenen COVID-19-Impfung ein Schaden eintreten, der auf ein möglicherweise fehlerhaftes Impfpräparat zurückzuführen ist, kann der Hersteller zwar in Anspruch genommen werden von dem Patienten, aber der wird sich intern freistellen können gegenüber der EU-Kommission.“

Falls also Impfschäden auftreten, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Haftung nicht der Produzent übernimmt, sondern die öffentliche Hand. Um das kurz festzuhalten: BioNTech bekommt umsonst Steuergeld für die Entwicklung und Produktion. Anschließend werden von Steuern die Impfstoffe überproportional eingekauft. Und jetzt soll die Haftung auch per Steuern finanziert werden? Wenn die Impfstoffe so wirksam und risikofrei sind, dann können BioNTech und Konsorten entspannt die vollständige Haftung übernehmen.

So wie bei fast allen staatlich subventionierten Unternehmen sahnen auch beim Impfstoffdeal zwischen BioNTech und der EU wirtschaftliche Einzelinteressen überdimensional ab. Es werden Umsätze generiert, von denen andere Firmen nur träumen können. BioNTech hat im ersten Quartal 2021 einen Jahresüberschuss von 1,10 Mrd. Euro erwirtschaftet bei einem Umsatz von 2,05 Mrd. Euro. Im zweiten Quartal stieg der Umsatz auf 5.30 Mrd. Euro mit einem exorbitanten Jahresüberschuss von 2,80 Mrd. Euro. Das ist sind über 50 Prozent Gewinnmarge in beiden Quartalen und das Geschäftsjahr ist noch längst nicht zu Ende.

Aber nicht nur die Gewinne sprudeln förmlich wie Wasserfontänen in die Höhe. Der Aktienkurs lag Ende des Geschäftsjahres 2020 bei 72,98 Euro (30. Dezember 2020). Am 6. August 2021 war der Kurs der Aktie mit 323,10 Euro mehr als viermal so hoch. Neben etlichen Investmentfonds und privaten Stiftungen, die einen geringen Anteil des Unternehmens besitzen, haben vor allem die größten Anteilseigner von den „steigenden Zahlen“ profitiert. Das wären zum einen die Strüngmann-Zwillinge, die mit der Beteiligungsfirma AT-Impf-GmbH 50,33 Prozent der BioNTech-Aktien besitzen. Die Brüder sind in der Pharma-Szene stets bekannt und waren vor der Coronakrise bereits Milliardäre. So verkauften sie 2005 den Generika-Hersteller Hexal an Novartis für 5,65 Mrd. Euro. Nun gehören die beiden Investoren durch den rapiden Kursanstieg zu den 200 reichsten Menschen der Welt. Zum anderen haben Ugur Sahin und Özlem Türeci nun ein Vermögen von mehreren Milliarden Euro. Sie halten 18,38 Prozent der Anteile und gehören laut Bloomberg aktuell zu den 300 reichsten Menschen weltweit.

BioNTech’s Erfolg hat nichts mit einer freien oder sozialen Marktwirtschaft zu tun. Es sind die Säulen des Korporatismus, die das Unternehmen stemmen. Prinzipiell ist hier von einer brutalen Umverteilung zu sprechen. Die Regierung missbraucht ihre Macht und wirft BioNTech öffentliche Gelder hemmungslos ins Portemonnaie. Die Anteilseigner hätten nie so ein Vermögen ohne den Staat anhäufen können. Regelungen wie „2G“ sind eine harte Brechstange zugunsten BioNTechs Kontostand und Aktienkurs. Und das bei sehr fragwürdigen Haftungsverhältnissen. Das Zitat „So viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig“ von Ex-Finanzminister Karl Schiller hat für die heutige Politik längst keine Bedeutung mehr. Der Staat soll jetzt unseren Konsum bestimmen und nicht der Markt. Es lebe die Bevorzugung, es lebe die Bevormundung.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Neomarius hier.

Luca Tannek ist 21 und absolvierte dieses Jahr sein Abitur in Bayern. Im kommenden Wintersemester beginnt er ein Studium der Betriebswirtschaftslehre.