KURDWATCH NEWSLETTER II – NOVEMBER 2012 – WEST KURDISTAN

PYD fixiert Abkommen mit FSA

ʿAin al-ʿArab: Ein Toter bei YPG (PYD) Angriff auf Demonstranten

KURDWATCH, 16. November 2012 – Anhänger der Partei der Demokratischen Union (PYD) haben am 9. November 2012 in ʿAin alʿArab (Kobanî) die vom Kurdischen Nationalrat, verschiedenen Jugendgruppen sowie der Kurdischen Zukunftsbewegung in Syrien von Rezan Bahri Schaikhmus organisierte Freitagsdemonstration angegriffen. Mit Messern und Stöcken bewaffnete PYDAnhänger versperrten den Demonstranten den Weg, skandierten Parolen gegen die Freie Syrische Armee (FSA) und forderten die Demonstranten auf, die syrische Unabhängigkeitsfahne niederzulegen. Es kam zu Handgreiflichkeiten zwischen PYDAnhängern und Demonstranten, woraufhin Kämpfer der Volksverteidigungseinheiten (YPG) das Feuer auf die Demonstranten eröffneten.

Die YPG griff zudem die Parteibüros der Kurdischen Demokratischen Fortschrittspartei in Syrien sowie der Kurdischen Freiheitspartei in Syrien (Azadî) von Mustafa Khidr Oso an. Die Demonstranten Walat Muhammad Salih Miho (geb. 1995), Renas Husain, Diyar Muhammad Ibrahim Hido, Fatima Dahar, Samar Dahar und Mariam Dahar mussten im Krankenhaus behandelt werden. Miho, der zur Behandlung in die Türkei gebracht worden war, erlag dort seinen Verletzungen. PKKnahe Medien behaupteten, alle Betroffenen seien durch Schüsse aus dem Büro der Azadî verletzt worden. Am 10. November wurde Miho, der Mitglied der Kurdischen Demokratischen Partei von ʿAbdulhakim Baschar sowie Mitglied der Koordinationsgruppe Kobanî gewesen war, unter Beteiligung tausender Aktivisten in ʿAin alʿArab beigesetzt. Die Trauernden forderten den Sturz der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und bezeichneten sie als Milizen des Regimes. Die Rede eines Vertreters der Freien Syrischen Armee wurde mehrfach von Sympathiekundgebungen unterbrochen

 

ʿAfrin: Kämpfe bei Qastal Dschindu

KURDWATCH, 28. November 2012 – Am 28. Oktober 2012 ist es bei dem yezidischen Dorf Qastal Dschindu in der Nähe von ʿAfrin zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Einheiten der Partei der Demokratischen Union (PYD) sowie der Sturmdes-Nordens-Brigade der Freien Syrischen Armee (FSA) von ʿAmmar alDadikhi alias Abu Ibrahim gekommen. Kämpfer der Sturmdes-Nordens-Brigade eroberten den Kontrollpunkt der PYD und nahmen zwei PYDAnhänger fest. Kurze Zeit später vertrieben Kämpfer der FSAEinheit ʿAmr ibn alʿAs von Ahmad ʿUbaid die Sturmdes-Nordens-Brigade aus Qastal Dschindu, die PYD kehrte in das Dorf zurück. Die genauen Hintergründe der Auseinandersetzungen zwischen PYD und den diversen FSAEinheiten sind unklar; sicher ist jedoch, dass es sich nicht, wie von der PYD behauptet, um einen yezidenfeindlichen Angriff der FSA auf Qastal Dschindu handelte.

 

Al-Qamischli: Getrennte Demonstrationen trotz Aufruf des Hohen Kurdischen Gremiums zur Einigkeit

KURDWATCH, 26. November 2012 – Bei landesweiten Protesten hat es am 16. November 2012 erneut zahlreiche Tote und Verletzte gegeben. Im ganzen Land forderten die Demonstranten, die unter dem gemeinsamen Motto »Unterstützung der Nationalen Allianz [aus revolutionären und oppositionellen syrischen Kräften]« auf die Straße gingen, den Sturz des Regimes. Angesichts der bewaffneten Zusammenstöße in Raʾs alʿAin (Serê Kaniyê) [weitere Informationen] demonstrierten alle kurdischen Parteien unter dem Motto »Nein zu fremden bewaffneten Gruppen«. Trotz eines Aufrufs des Hohen Kurdischen Gremiums, gemeinsame Demonstrationen zu organisieren, fanden auch an diesem Freitag ausschließlich getrennte Demonstrationen des Kurdischen Nationalrats und der Partei der Demokratischen Union (PYD) statt. Die PYD machte hierfür die Koalition aus Kurdischer Demokratischer Partei in Syrien (elPartî) von ʿAbdulhakim Baschar, Kurdischer Einheitspartei in Syrien (Yekîtî) sowie Kurdischer Freiheitspartei in Syrien (Azadî) von Mustafa Dschumʿa verantwortlich [weitere Informationen zur Koalition zwischen den Parteien]. In alQamischli gab es jeweils eine Demonstration in den Stadtvierteln alʿAntariya (organisiert von den Jugendgruppen Biratî, Rojava, Schaikh Maʿschuq und Märtyrer Farhad), Kurnisch (organisiert von Anhängern der Kurdischen Zukunftsbewegung in Syrien unter Rezan Bari Schaikhmus, der Jugendgruppe Sewa und anderen unabhängigen Jugendgruppen) und Munir Habib (organisiert vom Kurdischen Nationalrat) sowie an der Qasimomoschee im Westviertel (organisiert von der PYD). In ʿAmuda kam es zu drei getrennten Demonstrationen, organisiert von der PYD, dem Kurdischen Nationalrat sowie von verschiedenen Jugendgruppen. Auch in alHasaka gab es drei Demonstrationen. In alMalikiya (Dêrik), adDarbasiya, alDschawadiya (Çil Axa) und ʿAin alʿArab (Kobanî) fanden jeweils zwei Demonstrationen statt, organisiert von der PYD und vom Kurdischen Nationalrat. In alQahtaniya (Tirbesipî), alMaʿbada (Girkê Legê), Raʾs alʿAin (Serê Kaniyê) und ʿAfrin sowie in den mehrheitlich kurdisch bewohnten Stadtvierteln von Aleppo und Damaskus gab es keine Proteste.

 

Raʾs al-ʿAin: Dutzende Tote nach Angriffen der syrischen Luftwaffe

KURDWATCH, 24. November 2012 – Flugzeuge der syrischen Luftwaffe haben, unterstützt durch Boden-Boden-Raketen, am 12., 13. und 14. November 2012 Stellungen der Freien Syrischen Armee (FSA) in Raʾs alʿAin (Serê Kaniyê) angegriffen. Dabei wurden auch Wohnviertel bombardiert, in denen sich Kämpfer der FSA verschanzt hatten. Da viele Einwohner bereits kurz nach dem Einmarsch der FSA am 8. November 2012 [weitere Informationen] aus der Stadt geflohen waren, blieb die Zahl der getöteten Zivilisten mit mindestens zwölf vergleichsweise gering. Türkische Krankenwagen brachten Verletzte in die nahe gelegene türkische Stadt Ceylanpınar. Verlässliche Angaben über die Zahl der Toten in den Reihen der FSA gibt es nicht.

 

Raʾs al-ʿAin: Schwere Kämpfe zwischen PYD und FSA

KURDWATCH, 23. November 2012 – Am 19. November 2012 haben im östlichen Teil der Stadt Raʾs alʿAin (Serê Kaniyê) bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Freier Syrischer Armee (FSA) und Einheiten der Partei der Demokratischen Union (PYD) stattgefunden. Den Kämpfen vorangegangen, so ein Aktivist aus Raʾs alʿAin gegenüber KurdWatch, war die Aufforderung von Vertretern der FSA, sämtliche PYDFahnen zwischen Raʾs alʿAin und alMalikiya (Dêrik) zu entfernen. Vertreter der FSA hätten erklärt, dies sei ein Befehl der türkischen Regierung, von der sie unterstützt würden. Der Verhandlungsführer der PYD habe die Angelegenheit zunächst beraten wollen. Der Aktivist aus Raʾs alʿAin erklärte weiter: »Zuerst [am 8. November 2012] sind circa fünfhundert Kämpfer der FSA aus der Türkei gekommen. Etwa hundert sind an der Grenze geblieben, die restlichen vierhundert sind in die Stadt einmarschiert. Später sind etwa zweihundert Kämpfer aus arRaqqa hinzugekommen, weitere Personen aus der Umgebung haben sich ihnen angeschlossen. Es sind nicht wirklich viele, aber es sind Islamisten und sie sind gekommen, um zu sterben.« Die PYD verfügt seiner Einschätzung nach über rund tausend bewaffnete Kämpfer in der Gegend.

Al-Qamischli: Yekîtî, Azadî und elPartî bilden gemeinsame Führungskomitees

KURDWATCH, 21. November 2012 – Die lokalen Niederlassungen der Kurdischen Demokratischen Partei in Syrien (elPartî) von ʿAbdulhakim Baschar, der Kurdischen Einheitspartei in Syrien (Yekîtî) sowie der Kurdischen Freiheitspartei in Syrien (Azadî) von Mustafa Dschumʿa haben vom 30. Oktober 2012 bis zum 17. November 2012 in Ain alʿArab (Kobanî), der Region Aleppo (inklusive ʿAfrin), Raʾs alʿAin (Serê Kaniyê), adDarbasiya, arRaqqa, Tall Abyad (Girê Sipî), alQamischli, alMalikiya (Dêrik) und ʿAmuda jeweils gemeinsame Führungskomitees gebildet. »Unser Ziel ist es, unsere politische Arbeit besser zu koordinieren und effizienter zu gestalten«, so ein Yekîtî-Mitglied gegenüber KurdWatch. Nicht vorgesehen sei hingegen die Bildung einer neuen Partei. Auch der Kurdische Nationalrat unterhält derartige Ausschüsse in zahlreichen kurdischen Städten.

 

Raʾs al-ʿAin: PYD hisst ihre Fahne gemeinsam mit FSAFahne

KURDWATCH, 18. November 2012 – Bei landesweiten Protesten hat es am 9. November 2012 erneut zahlreiche Tote und Verletzte gegeben. Im ganzen Land forderten die Demonstranten, die unter dem gemeinsamen Motto »Es ist Zeit für den Einmarsch in Damaskus« auf die Straße gingen, den Sturz des Regimes. Anhänger der Partei der Demokratischen Union (PYD) demonstrierten unter dem Motto »Großer Widerstand, würdiges Leben«. In al-Qamischli gab es jeweils eine Demonstration in den Stadtvierteln al-ʿAntariya (organisiert von den Jugendgruppen Biratî, Rojava, Schaikh Maʿschuq und Märtyrer Farhad), Kurnisch (organisiert von Anhängern der Kurdischen Zukunftsbewegung in Syrien unter Rezan Bari Schaikhmus, der Jugendgruppe Sewa und anderen unabhängigen Jugendgruppen) und Munir Habib (organisiert vom Kurdischen Nationalrat) sowie an der Qasimomoschee im Westviertel (organisiert von der PYD). In ʿAmuda kam es zu zwei getrennten Demonstrationen, eine organisiert vom Kurdischen Nationalrat und verschiedenen Jugendgruppen, die andere von der PYD. In al-Qahtaniya (Tirbesipî), ad-Darbasiya, und al-Dschawadiya (Çil Axa) fanden jeweils zwei Demonstrationen statt, organisiert von der PYD und vom Kurdischen Nationalrat. In ʿAin al-ʿArab (Kobanî) organisierte die PYD eine Demonstration; darüber hinaus kam dort ein Aktivist ums Leben, als Mitglieder der Volksverteidigungseinheiten (YPG) der PYD das Feuer auf eine vom Kurdischen Nationalrat, zahlreichen Jugendgruppen sowie der Kurdischen Zukunftsbewegung in Syrien unter Rezan Bari Schaikhmus organisierte Demonstration eröffneten [weitere Informationen zum Fall]. Nachdem Mitglieder der Freien Syrischen Armee die Stadt Raʾs al-ʿAin (Serê Kaniyê) erobert hatten [weitere Informationen], gab es dort an diesem Freitag keine Demonstration. Während Anhänger der PYD in Ain al-ʿArab das Feuer auf Demonstranten eröffneten, weil diese eine FSA-Fahne trugen, hissten sie in Raʾs al-ʿAin ihre Fahne gemeinsam mit derjenigen der FSA. In al-Hasaka gab es vier Demonstrationen. In al-Malikiya (Dêrik), al-Maʿbada (Girkê Legê) und ʿAfrin sowie in den mehrheitlich kurdisch bewohnten Stadtvierteln von Aleppo und Damaskus gab es keine Proteste.

Damaskus: Medizinstudent wieder frei

KURDWATCH, 17. November 2012 – Der am 23. Oktober 2012 in Damaskus festgenommene Medizinstudent Dara Nauaf ʿAbdullah (geb. 1989 in alQamischli) [weitere Informationen zum Fall] ist am 12. November 2012 aus der Haft des Staatssicherheitsdienstes entlassen worden. Am Tag seiner Festnahme war ʿAbdullah Folter ausgesetzt, darüber hinaus wurde er während der Haft unter Druck gesetzt, keine regimekritischen Artikel mehr zu schreiben. Klage wurde nicht erhoben.

ʿAfrin: PYD schließt Abkommen mit Freier Syrischer Armee

KURDWATCH, 15. November 2012 – Nach bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Partei der Demokratischen Union (PYD) und der Freien Syrischen Armee (FSA) [weitere Informationen] fand Ende Oktober 2012 ein Treffen zwischen Vertretern der PYD und ihren Volksverteidigungseinheiten (YPG) sowie Vertretern der FSA statt. Unter Letzteren befanden sich auch Mitglieder des neu gegründeten Kurdischen Militärischen Rates in Aleppo sowie Vertreter islamischer Einheiten. Das Treffen wurde durch ein am 1. November 2012 auf YouTube hochgeladenes Video bekannt; PYDnahe Medien veröffentlichten Teile des bei dem Treffen geschlossenen Abkommens am 4. November. Folgende Beschlusspunkte wurden von einem FSAMitglied verlesen:

1. Die Unterzeichner stehen vereint für die syrische Revolution und gegen das Assadregime; der Kampf wird friedlich und militärisch geführt; der Sturz des Regimes ist das Ziel jedes Syrers, sei er Araber oder Kurde.

2. Bildung eines zivilen und eines militärischen Ausschusses sowie eines Sicherheitsausschusses, bestehend aus Mitgliedern der Freien Syrischen Armee und der kurdischen Parteien [unklar bleibt, welche kurdischen Parteien genau gemeint sind], um die kurdischen Regionen in der Provinz Aleppo zu verwalten und die entstandenen Konflikte zu lösen.

3. Sofortige Freilassung der Häftlinge aus den Gefängnissen aller Beteiligten unter Aufsicht eines aus beiden Parteien gebildeten Ausschusses und unter der Bedingung, dass es sich nicht um Verbrecher oder Kollaborateure mit dem Regime handelt.

4. Beendigung aller Kampagnen gegenseitiger Anschuldigungen sowie Durchführung eines für die syrische Revolution positiven Diskurses.

5. Sofortige Beendigung der Erhebung von Steuern; Kontrolle und Bestrafung dieser abscheulichen Taten.

6. Beseitigung aller Kontrollpunkte, die Operationen der Freien Syrischen Armee erschweren oder Einrichtung gemeinsamer Kontrollpunkte mit Wissen des militärischen Ausschusses und des Sicherheitsausschusses.

7. Respektierung der Religionsfreiheit und der bürgerlichen und politischen Rechte.

8. Unterstützung von Aktivisten und Anhängern der syrischen Revolution, Arabern, Kurden und allen anderen gesellschaftlichen Gruppen sowie der Deserteure des Assadregimes.

9. Beseitigung aller Spannungen und Zusammenstöße in den umkämpften Regionen unter Aufsicht des gemeinsamen militärischen Ausschusses; Erreichung einer schnellen Lösung, die alle Seiten zufrieden stellt.

10. Rückgabe aller beschlagnahmten Waffen, Munition und Fahrzeuge an ihre Eigentümer.

 

Raʾs al-ʿAin: Freie Syrische Armee übernimmt Kontrolle

KURDWATCH, 14. November 2012 – Am frühen Morgen des 8. November 2012 haben Einheiten des Ghurabaʾ-alScham-Bataillons der Freien Syrischen Armee (FSA) Stellungen der syrischen Armee in der Stadt Raʾs alʿAin (Serê Kaniyê) angegriffen. Der Einmarsch der FSA erfolgte über die südliche und die westliche Zufahrtsstraße, einigen Quellen zufolge kamen zudem Kämpfer über die türkische Grenze. Alle Stellungen und Kontrollpunkte des syrischen Regimes sowie der Grenzübergang zur Türkei wurden von der FSA erobert, ebenso die Zentralen des Direktorats für politische Sicherheit sowie des Militärischen Nachrichtendienstes, in denen sich Sicherheitskräfte des Regimes verbarrikadiert hatten. Verlässliche Angaben über die Zahl der Toten in den Reihen der FSA sowie des Regimes liegen nicht vor. Zahlreiche Zivilisten flohen in die Türkei und in die umliegenden Städte und Dörfer. Mindestens ein Zivilist wurde getötet, es handelt sich um Yazan alKhatib aus Dair azZaur. Die Volksverteidigungseinheiten (YPG) der Partei der Demokratischen Union (PYD), die eine kritische Haltung gegenüber der FSA einnehmen, reagierten zunächst zurückhaltend. Berichte über eine mögliche Kooperation zwischen YPG und FSA konnten nicht bestätigt werden. Die Bewegung der Demokratischen Gesellschaft in Westkurdistan (TEVDEM), ein Dachverband PKKnaher Organisationen in Syrien, forderte am 9. November 2012 alle bewaffneten Gruppen auf, die Stadt zu verlassen. Andernfalls würden sie als Feinde behandelt, so die Erklärung TEVDEMs. Auch das Hohe Kurdische Gremium aus Kurdischem Nationalrat und Volksrat von Westkurdistan forderte die bewaffneten Gruppen zum Abzug auf. Sie begründete dies mit dem Schutz der Bevölkerung vor Gegenangriffen des Regimes.