KURDWATCH : Aussagen des russischen Außenministers zu Syrien sind ohne Substanz – keine Massaker an kurdischen Zivilisten
KurdWatch, 8. August 2013 – Dem russischen Außenminister Lawrow zufolge sind am vergangenen Montag 450 kurdische Zivilisten von Kämpfern der islamistischen Dschabhat an Nusra getötet worden. Siamend Hajo, Mitarbeiter von KurdWatch, bezweifelt diese Zahlen:
»Lawrow übernimmt hier die Propaganda der Partei der Demokratischen Union (PYD), des syrischkurdischen Ablegers der PKK. Die PYD behauptet seit Wochen, dass islamistische Einheiten der Freien Syrischen Armee (FSA) gezielt kurdische Zivilisten angreifen. Unsere Informanten vor Ort bestätigen solche Angriffe nicht«.
Zwar finden Kämpfe zwischen der Miliz der PYD, den sogenannten Volksverteidigungseinheiten (YPG), und diversen islamistischen Einheiten statt, bei denen auch Zivilisten ums Leben kommen. Die Auseinandersetzungen werden aber in vielen Fällen von der YPG provoziert, nicht umgekehrt. Dies berichten unabhängige Aktivisten aus den Kampfgebieten bei al Qahtaniya (Tirbesipî), ʿAin al ʿArab (Kobanî) und Raʾs al ʿAin (Serê Kaniyê), die auch die hohe Zahl der (zivilen) Todesopfer nicht bestätigen, sondern für übertrieben halten.
Der Zeitpunkt, zu dem die Auseinandersetzungen zwischen der PYD und islamistischen Einheiten begonnen haben, ist alles andere als zufällig. Ende Juni griff die PYD Demonstranten in ʿAmuda an, die gegen die Entführung unabhängiger Aktivisten durch die PYD protestierten. Mindestens sechs Personen kamen ums Leben, Dutzende Aktivisten wurden entführt und gefoltert, die Büros anderer kurdischer Parteien, Jugend- und Kulturzentren niedergebrannt.
»Die Ereignisse von ʿAmuda stellen den bisherigen Höhepunkt der totalitären Unterdrückungspolitik der PYD in den kurdischen Gebieten dar und haben die PYD nicht wenige Sympathien innerhalb der kurdischen Bevölkerung gekostet. Diese Sympathien will die PYD zurückgewinnen, indem sie sich als einzige Kraft darstellt, die gegen angebliche islamistische Angriffe auf die kurdische Bevölkerung vorgeht«, so Siamend Hajo.
Die Tatsache, dass die PYD bis heute nicht mit dem Regime von Baschar al Assad gebrochen hat – eine Position, die sie mit dem russischen Außenminister teilt – darf bei der Beurteilung der aktuellen Ereignisse ebenfalls nicht vergessen werden:
»Erst heute berichtete uns ein Aktivist aus ʿAin al ʿArab, dass die PYD mit ihrer Miliz dort Landeplätze schützt, die von syrischen Helikoptern genutzt werden. Es gibt zahlreiche weitere Beispiele der Kooperation zwischen Regime und PYD. Angesichts dieser Zusammenarbeit können die Freie Syrische Armee und ihre islamistischen Unterstützer gar nicht anders, als die PYD und ihre Miliz als Gegner wahrzunehmen. Die islamistischen Gruppierungen, die mit der FSA gegen das Regime und teilweise gegen Einheiten der PYD kämpfen, sind brutale Schlächter, aber sie haben es nicht speziell auf die kurdische Bevölkerung abgesehen. Vielmehr läge es in ihrem Interesse, derzeit keine zweite Front aufzubauen, die sie in ihrem Kampf gegen das Regime schwächt.«
8.8.2013