Kobane – Rojava, Solidarität, linke Träume…..
MESOP MORGENRÖTE DES FORTSCHRITTS : NACH DEM GESCHEITERTEN AUFBAU DES ‘SOZIALISMUS IN EINEM UNTERENTWICKELTEN LAND‘ (RUSSLAND) / NUN DER AUFBAU DES KOMMUNISMUS IN EINER UNTERENTWICKELTEN STADT (KOBANE)
jungle-world.com – Hurriyablog – Kobane – Rojava, Solidarität, linke Träume….. / Gastbeitrag von Christoph Linge / 12 Nov 2014 (JUNGLE WORLD)
Wer hat die letzten Wochen nicht mitgefiebert, morgens vor dem Kaffee nicht schon nachgeschaut, ob inzwischen mehr schwarze Fahnen oder mehr Trikoloren über den Resten eines staubigen Nests wehen?
Endlich, wo der IS doch so eindeutig böse ist, weiss man, auf wessen Seite man da steht.
Die Linke hatte in Teilen noch Schwierigkeiten, Auftritte wie die von Frau Buchholz erinnerten doch eher an Nachrichten aus Absurdistan als aus Kurdistan, hat aber mittlerweile doch ihr ganzes Herz an Kobane gehängt. Handelt es sich doch um die Verteidigung des Projekts Rojave: der „Morgenröte“.
Nur stellvertretend aus der Pressemitteilung der Konstanzer Linken letztens:
„Die Region Rojava im Nordirak steht wegen der Angriffe der dschihadistischen Terrormiliz auf die Stadt Kobane gegenwärtig im Blickpunkt der Öffentlichkeit…..In Rojave wird auch ein Wirtschaftsmodell entwickelt, das mit der kapitalistischen Profitproduktion bricht….“
Das Drama um Kobane ist ja ein Ausläufer einer Tragödie, die sich vor 3 Jahren nur Wenige haben vorstellen können:
Dem, was in Syrien passiert.
Da ist es nicht recht nachzuvollziehen, dass man nun, da es um ein vielleicht prestigeträchtiges, aber letztlich strategisch unwichtiges Nest geht (Zivilisten gibt es da eh keine mehr), mit einem Mal so ganz dabei ist mit dem Herzen …….. demselben Herzen, das die letzten Jahre ja so seltsam kühl geblieben war.
Dabei hatte man sich ja vom kurdischen Nationalismus, besonders der Ideologie der PKK mit ihrem Führerkult, erfreulicherweise, in der Linken wie so oft erst etwas später, distanziert.
Nicht verabschiedet hatte man sich da allerdings von den liebgewonnenen antiimperialistischen Reflexen:
So, wie der US-Imperialismus die ganze Welt vergiftet, so ist der Zionismus immer noch (mindestens) an allem Schlechten im Nahen Osten schuld.
Auch wenn das dort immer weniger Leute glauben.
Nun hat Onkel Öcalan, Apo, in der reichlichen Zeit, die er nun mal hat, viel gelesen und ist dabei auf Neues gestossen.
Zumindestens scheint er Kreide gefressen zu haben, wenn jetzt von völkischer Ideologie kaum noch was zu hören ist.
Dieser demokratische, rätische Kollektivismus, dem man jetzt an Rojava huldigt, ist genau das, was er stattdessen in seinen Verlautbarungen propagiert.
Hört sich ja auch sympathisch und unterstützenswert an.
Nur: Fällt denn niemandem auf, dass der Ausbruch an kollektive Begeisterung für die neuen Werte dort , der weltweit in der Linken fast schon peinlich frenetisch gefeiert wird, eben eher dem Gehorsam gegenüber Apo geschuldet ist als individueller Einsicht oder kollektiver Sehnsucht?
Die „neuen“ Kurden, wenn auch inzwischen auf emanzipatorisch gewendet, eben doch immer noch an der kurzen Leine der PKK und weniger die Vorboten einer „Neuen Welt“?
In der das, was in der alten Welt so gut wie nie funktioniert hatte, nämlich die Umverteilung der Produktionsmittel als „Bruch mit der kapitalistischen Profitproduktion“, auf wundersame Weise möglich sein soll?
Da lohnt doch der Blick auf das, was ist.
“Kobane” ist wohl die Verballhornung vom deutschen Wort „Kompanie“ — da standen wohl mal, im Zuge des Baus der Bagdadbahn, die Kasernen deutscher Bauarbeiter.
Die waren dann auch bald wieder weg, zurück blieben die Gebäude.
Sonst gab und gibt es, im gesamten Gebiet der „Morgenröte“, außer Steinen und Sand, nicht viel.
Wieso jetzt eine solche Gegend, in der es nie irgendwas gab wie „Produktion“ im Marx`schen Sinne, hochgejazzt wird als Vorbild der Umverteilung von deren Mitteln, erscheint schon recht schräg.
Allerdings schwant einem bald, worum es gehen könnte:
Eine Linke, allzeit unterwegs auf der Suche nach Projektionsflächen für Zustände, von denen man hierzulande nicht mal mehr träumt, und die man hier nie richtig hingekriegt hat, ist wieder mal fündig geworden.
Im Schwange dieser Begeisterung geht es natürlich um was richtig Grosses:
Wenn die Konstanzer Linke Rojava im Nordirak ansiedelt, ist man dann ein Spielverderber, wenn man bemerkt, dass diese Gegend doch eher in Syrien liegt?
Oder ist es ein dezenter Hinweis darauf, dass es eben doch mehr um ein “Traumland” geht, für das eine tatsächliche Verortung gar nicht wirklich wichtig ist?
Und dass es in dieser ganzen Gegend sowas wie eine nennenswerte Fabrik, die man unter “Produktionsmittel” einordnen könnte, eigentlich gar nicht gibt?
Nichts gegen schöne Träume – am wenigsten gegen solche, wo es geht um einen anderen Zustand der Welt.
Aber gerade die Linke sollte doch einen kurzen Flirt mit der Realität nicht verzichten, hat man doch reichlich Erfahrung in Sachen “Internationale Solidarität” und “Trikont-Romantik”.
Und eben auch im Bau von Luftschlössern:
Man erinnert sich an Kuba, Nicaragua, Grenada, Venezuela……
Die man alle als das bewerten sollte, was sie waren:
In der jeweiligen Situation sicher ehrenwerte Versuche, sich ein besseres Leben zu erkämpfen – eine Blaupausen für eine „neue Welt“ eher nicht.
Und Geburtsstätten eines „neuen Menschen“ schon gar nicht.
Und im Sinne der Überhöhung eines kollektiven Kampfes einer einigen besseren Welt gegen eine böse taugen sie ganz und gar nicht.
Trotzdem scheint jetzt nach der israelischen Soldatin (doch, auch die war mal drin, wenn auch nur kurz, ist schon lange her), der sandinistischen Companera mit der AK47, vor kurzem Lady Marijam am Joystick des Kampfbombers jetzt die ebenso ernste wie hübsche PYD-Milizionärin das Lieblingsobjekt für die Pinwand im Spind linker Phantasien zu werden.
Dies Gebaren erinnert doch sehr an das, was man diesen Sommer im „Nie-Wieder-Land“ erleben durften:
Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein.
Was hierzulande als einiger Ausdruck einer “Arabischen Strasse” gedeutet wurde (auch die gibt`s ja dort auch immer weniger, sie scheint vielmehr nach Paris, London und eben auch Berlin umgezogen zu sein….), hat Ahmed Mansour so erklärt:
Als ein für all die auf diesen Bildern Versammelten Erlebnis der Erlösung; endlich, endlich hatte man ihn wieder, den gemeinsamen Feind, den Juden. Gestern hatte man sich gegenseitig noch das schlimmst Denkbare angetan, und das würde man auch weiterhin tun. Und das alles war und würde viel schlimmer sein, als das, was in Gaza passierte.
Aber an diesem Tag im Sommer, da feierte man zusammen.
Er, als Palästinenser, konnte den „dresscode“ der scheinbar so “Einigen” eben lesen.
Die (nicht nur) deutsche Linke:
Hat sie mit “Rojave” jetzt das, was andere an “Gaza” haben?
Wobei es schon sehr merkwürdig ist, dass man mit den Kurden ja „Kollaborateuren“ huldigt.
Oder wie will man Leute nennen, deren Kids als Berufswunsch mehrheitlich „Pilot bei der US-Airforce“ angeben?
Und die so gar nichts gegen Israel haben?
Ja, natürlich, auch für sie, die um ihre Existenz und eine anderes “Leben” kämpfen, als das IS für sie vorsieht, Empathie und Unterstützung.
Diesen Kampf aber führen viele andere Menschen, leider oft vergeblich, und fast immer ohne jedwede Unterstützung, in Syrien schon allzulange.
Und daher lautet die viel wichtigere Frage:
Warum dieser kollektive Anfall von Empathie gerade jetzt?
Wo es doch seit mehr als 3 Jahren mehr als genug Leute gegeben hätte, die eben diese mehr als verdient hätten.
Kommt sie deshalb verspätet und nachholend, weil man solange gebraucht hat, seine eigenen liebevoll gehegten Anti-Imp-Reflexe zu überwinden?
Wohl kaum.
Es scheint vielmehr so zu sein, dass IS als der „böse Wolf“ gerade recht kommt, um jetzt die Kurden als “good guys“ oder, leckerer, als „good girls” zu adoptieren.
Deren durch die “linke” und linke Solidarität fast schon peinliche Umarmung läuft im Prinzip aber genau auf das raus, was die Stossrichtung der Obama-Politik ist:
Qua medienwirksamem Engagement gegen den bösen IS davon abzulenken, dass man sich nicht mit Assad konfrontieren will. Und Iran als „Ordnungsmacht“ hoffähig zu machen.
Schlimm.
Statt „Morgenröte“ eher Alpträume: Denn das war vom Anfang der Tragödie an das Kalkül eines Assad.