Kampf gegen Assad: USA stellen sich auf Teilung Syriens ein

Von Raniah Salloum – SPIEGEL ONLINE – 23.7.2013 – Ein Brief des US-Generalstabschefs macht es deutlich: Washington rechnet nicht mehr mit einem schnellen Sturz von Syriens Diktator Assad, das Militär warnt von einer kostspieligen Intervention. Stattdessen stellen sich die USA auf eine Teilung des Landes ein.

Zwischen den zwei Sätzen liegen zwei Jahre, eine Kehrtwende von Barack Obama und ein Bürgerkrieg mit 100.000 Toten. “Für Präsident Assad ist die Zeit gekommen, zur Seite zu treten”, sagte US-Präsident Barack Obama im Sommer 2011 – und nahm den Mund ziemlich voll.

Doch Syriens Diktator dachte nicht an Rücktritt. Er setzte seinen Sicherheitsapparat gegen die Demonstranten ein – und Washington schaute zu. Der Aufstand entwickelte sich zum Bürgerkrieg, in dem auch ausländische Dschihadisten, Iran und die libanesische Hisbollah mitmischen.

Im Sommer 2013 heißt es nun aus Washington: “Assad wird nie wieder Syrien regieren so wie zuvor.” Das sagte Jay Carney, Pressesprecher des Weißen Hauses. Damit meinte er, es sei trotz der jüngsten Regime-Erfolge in Damaskus und der Provinz Homs nicht vorstellbar, dass die Assad-Anhänger die Rebellen überall besiegen. Doch von einem baldigen Sturz des Despoten ist keine Rede mehr.

Der Westen stellt sich darauf ein, dass Assad noch länger an der Macht bleiben könnte. Zwar glaubt kaum jemand, dass der Staatschef jemals wieder das gesamte Land unter seine Kontrolle bringen könnte. Denn in Teilen des Nordens und Ostens sind verschiedene Rebellengruppen dabei, ihren Einfluss zu verfestigen. Doch dafür konsolidieren die Assad-treuen Kämpfer ihre Macht im Westen, in Damaskus, Homs und der Küste.

Ein Sturz Assads ist derzeit kaum vorstellbar

Vor dem Krieg lebte in dieser vom Regime kontrollierten Zentralregion ein Großteil der syrischen Bevölkerung. Die Versorgungslage ist dort zurzeit besser: Internationale Hilfslieferungen gehen nämlich meist in diese Region. Die Hilfsorganisationen haben ihren Sitz in Damaskus oder eröffnen neue Ableger in Homs und Tartus. Dagegen kommt bei den Menschen im von den Rebellen kontrollierten Nordosten kaum Hilfe an, auch wenn die türkische Grenze meist nur wenige Dutzend Kilometer entfernt ist.

Der Krieg wird inzwischen von unzähligen lokalen Konflikten überlagert. Auch innerhalb der hauptsächlich von den Rebellen beziehungsweise hauptsächlich vom Regime kontrollierten Gebiete hört die Gewalt nicht auf. Die Situation gleicht einem blutigen Patt. Häuserkrieg und Terror gehen immer weiter, ohne dass es zu einer entscheidenden Schlacht kommen könnte.

Im Pentagon kann man sich offenbar nicht vorstellen, wie Assad ohne einen massiven internationalen Militäreingriff gestürzt werden könnte – und der ist Washington zu teuer, das Risiko zu hoch. Martin E. Dempsey, der US-Generalstabschef, skizzierte die militärischen Optionen Washingtons jetzt in einem Brief an den Kongress: Jeder Eingriff würde Milliardenkosten nach sich ziehen und die Bereitschaft des US-Militärs, anderswo in der Welt zu agieren, gefährden. Die Folgen einer Intervention wären ungewiss. “Wir haben aus den letzten zehn Jahren gelernt, dass es nicht einfach ausreicht, das militärische Gleichgewicht zu verändern”, schreibt Dempsey.

Auch die US-Waffenlieferungen dürften Assad nicht gefährden

Ähnlich schätzt man die Lage auch in anderen westlichen Hauptstädten ein. Aus Paris und London, die immer wieder scharfe Töne gegen Assad anstimmten, ist kaum noch etwas zu hören. Der deutsche Auslandsgeheimdienst BND hat seine Prognose revidiert, dass Assad noch Anfang 2013 stürzt, und spricht stattdessen von einem Vormarsch der Assad-Anhänger.

In Washington glaubt man offenbar auch nicht, dass sich an Assads Lage etwas ändern könnte, wenn ab August die ersten amerikanischen Waffenlieferungen an die Rebellen eintreffen sollen. Die Waffen sollen wohl vielmehr verhindern, dass den Moderaten unter den Rebellengruppen der Garaus gemacht wird – von den ausländischen Dschihadisten. “Wir sollten helfen, eine moderate Opposition zu entwickeln, auch ihre militärischen Fähigkeiten”, schreibt Dempsey.

Bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den Radikalen und den moderaten Rebellen werden immer häufiger. Auch Konflikte zwischen den Dschihadisten und der syrischen Bevölkerung nehmen zu.

David Shedd, stellvertretender Leiter des US-Verteidigungsnachrichtendiensts (DIA), sagte vergangene Woche über die internationalen Dschihadisten: “Sie werden nicht nach Hause gehen, wenn es vorbei ist. Sie werden für das Gebiet kämpfen. Sie sind dort mit einer langfristigen Perspektive.”