II) EIN BÜNDNIS MIT GOTT, DAS AUF VERSTÜMMELUNG BERUHT

Die christlichen Kirchen finden neuerdings alles gut, was Muslime fordern / VON THOMAS GUTSCHKER

Christian Wulff hat längst die politische Bühne verlassen, ein Satz von ihm aber ist geblieben, und Woche für Woche enthüllt sich seine tiefere Wahrheit. „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland”.  Nicht einmal die christlichen Kirchen hielten es für nötig, darauf hinzuweisen, dass sie schon ein wenig länger hier sind als der Islam. Schlapp zweitausend Jahre.

Nikolaus Schneider, der EKD Ratsvorsitzende, lobte Wulff stattdessen für seine „ausgestreckte Hand”.

Zwei Jahre später: Die islamischen Verbände haben in diese Hand eingeschlagen. Sie werden anerkannt als Religionsgemeinschaften, obwohl sie nur eine Minderheit der Muslime vertreten. Sie schließen auf zu den etablierten Kirchen und haben teil an deren Privilegien. In Berlin dürfen sie schon eigenen Religionsunterricht erteilen, an den wichtigsten islamischen Feiertagen können Muslime freinehmen Der Stadtstaat Hamburg schloss in dieser Woche einen Vertrag mit drei Verbänden, der Ähnliches vorsieht. Andere Bundesländer wollen nachziehen. Eine Selbstverständlichkeit sei das, meint der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz. Die christlichen Kirchen müssen das genauso sehen, denn von ihnen kommt abermals kein Widerspruch.

Das ist umso erstaunlicher, als gerade die Regelung zum Religionsunterricht eine Zumutung für evangelische und katholische Christen ist. Künftig sollen ihnen muslimische Lehrer im „überkonfessionellen” Unterricht die Wertentscheidungen abendländischer Kultur erklären. Die Absurdität dieses Unterfangens scheint bislang aber nur den muslimischen Verbänden bewusst zu sein:  sie dringen auf einen rein muslimischen Unterricht. Darüber wird noch verhandelt.

Daß die etablierten Kirchen dem Aufstieg islamischer Verbände wohlwollend zusehen, ist das eine. Das andere, noch Erstaunlichere, zeigt sich in der Debatte über die Beschneidung jüdischer und muslimischer Jungen. Einhellig haben katholische und evangelische Kirchenvertreter das Urteil des Kölner Landgerichts angegriffen, das Beschneidung als Straftatbestand und Verstoß gegen das Kindeswohl eingestuft hat. Das Verbot der Beschneidung sei ein schwerwiegender Eingriff in die Religionsfreiheit, bemängelte der Aachener Bischof Mussinghoff. Das Gericht habe sich nicht ernsthaft mit den religiösen Gründen der Beschneidung auseinandergesetzt.

Natürlich kennt der Bischof all diese Gründe. Aber spielt es für ihn überhaupt noch eine Rolle, daß seine eigene Kirche abgekehrt ist von der Beschneidung? Daß dies keine beiläufige Entwicklung war, sondern ein konstitutiver, theologisch begründeter Schritt?

Nur zur Erinnerung: Ein gewisser Paulus hatte die Galater (in Kleinasien) um 5o nach Christus vor Missionaren gewarnt, die von den Christen verlangten, sie sollten sich beschneiden lassen. Es sei für Christen nicht entscheidend, das mosaische Gesetz zu befolgen, schrieb Paulus. Sie müßten sich vielmehr der Gnade Gottes öffnen. Das ist eine Aufgabe des Geistes und des Herzens  – und ein viel anspruchsvolleres Programm als ein Bund mit Gott, der durch Verstümmelung besiegelt wird. Daran hat kein Bischof erinnert nach dem Kölner Urteil.

Es gibt Gründe dafür. Sie haben nichts zu tun mit Theologie, nicht einmal mit Toleranz. Die beiden christlichen Kirchen sehen sich in der Defensive gegenüber dem säkularen Staat, mindestens seit dem Kruzifix-Urteil von 1995. Wenn in einer bayerischen Volksschule kein Kreuz mehr hängen darf, was kommt dann als Nächstes: das Verbot des Religionsunterrichts, die Streichung der Kirchensteuer? Die Zahl der Kirchenmitglieder schwindet. In ihrer Not suchen die Kirchen Verbündete  und da kommen die muslimischen Verbände gerade recht. Sie sind zwar klein, aber sie wachsen. Und sie wissen, was sie wollen.

Machtpolitisch mag die Allianz der christlichen Kirchen mit den muslimischen Verbänden klug sein: Lieber Kirchensteuer für alle als ein Ende des Geldregens. Aber der Preis ist hoch. Die eigene Identität schwindet, Glaubensinhalte werden instrumentell angepaßt. Ende 2006 hatte die EKD die Muslime in Deutschland noch gemahnt, sie müßten ihre Gewaltbereitschaft glaubhaft überwinden und die Gleichberechtigung von Frauen anerkennen. Im Juni dieses Jahres traf man sich in der Moschee von Duisburg-Marxloh  wieder und verabredete einen schönen Dialog.

 “Mißverständliche Äußerungen” über Muslime, wie die Forderung nach Gleichberechtigung der Frau, werde es künftig nicht mehr geben, versprach Präses Schneider.