HAKAN FIDAN (MIT) – EIN PORTRAIT

Ministerpräsident Tayyip Erdogan ver­traut seinem Geheimdienstchef wie nie­mandem anderen. Erdogan hatte Ha­kan Fidan im Jahr 2009 auf die Gefäng­nisinsel Imrali geschickt, um mit dem lebenslang inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan zu verhandeln, und danach wiederholt nach Oslo, um mit der FKK-Führung eine politische Lösung des Kurdenkonflikts einzufädeln.

Damals war Fidan noch der zweite Mann im MIT, dem Milli Istihbarat Tes­kilati. Am 27. März 2010 berief ihn Er­dogan an die Spitze des Geheimdiens­tes, und von 2011 an sollte Fidan dafür sorgen, dass der syrische Machthaber Baschar al Assad, mit, dem Erdogan ge­brochen hatte, stürzt.

Während Außenminister Davutoglu auf Konferenzen große Reden hält, gestaltet Fidan, zumindest gegenüber den nahöstlichen Nachbarn, die Außenpoli­tik: Ohne seine Billigung gelangen kei­ne Waffen an die „Rebellen” in Syrien, und ohne sein Wissen gelangt kein Kämpfer über die Türkei dorthin.

Ne­ben Assads Sturz soll Fidan ein Zweites gelingen: Er soll die Gründung eines kurdischen Staats auf syrischem Boden verhindern. Neben den Mitteln des MIT stehen ihm dazu jene des militärischen Geheimdienstes zur Verfügung, den er sich 2012 unterstellt hat.

Als Erdogan das Syrien-Dossier Fidan anvertraute, hatte er wohl gehofft, die Kontrolle in der Hand zu behalten und die Operation den Blicken der Öf­fentlichkeit zu entziehen. Beides mißlang. Die Vereinigten Staaten werfen der Türkei vor, daß ihr alle Mittel recht seien und sie auch Dschihadisten förde­re, um Assad zu stürzen; zuletzt bekriegten sich im Norden Syriens Fidans Dschihadisten mit den vom saudischen Geheimdienstchef Bandar unterstützten Kriegern. Israel-verdächtigt  den MIT zudem, dass er Iran die Namen von iranischen Mossad-Agenten verraten habe, die sich in der Türkei mit ih­ren israelischen Kollegen getroffen hät­ten.

Der 1968 in Ankara geborene Fidan hat viele Jahre im Westen verbracht. Vielen gilt er dennoch als antiwestlich. Fidan trat 1986 in die türkische Armee ein, trug aber selten Uniform Er stu­dierte an der University of Maryland Politikwissenschaft, zurück in Ankara, erwarb er an der Eliteuniversität Bil­kent den Magistergrad mit einem Ver­gleich der Geheimdienste Großbritan­niens, der Vereinigten Staaten und der Türkei: Nach seiner Dissertation an derselben Universität setzte er seine akade­mischen Studien an der Internatio­nalen Atomenergieagentur in Wien und bei der Forschungseinrichtung der UN zur Abrüstung in Genf fort.

Er war bei der Nato-Reaktionsstreitmacht und in Australien als Attaché an der tür­kischen Botschaft. 2003 wurde er Direk­tor von Tika, der Behörde für inter­nationale Zusammenarbeit, die dem Ministerpräsidenten untersteht. Dort fiel er Erdogan auf, und er holte den dreifachen Vater im Jahr 2007 als au­ßenpolitischen Berater an seine Seite. Fidan sei sein “Mann für die Geheim­nisse”, sagte Erdogan einmal. So ist Fidan, in dem manche sogar den Nachfolger Erdogans als Ministerpräsident sehen, oft an Erdogans Seite zu sehen, vor allem, wenn er, etwa im März im Weißen Haus, Gespräche über Syrien führt.

RAINER HERMANN