DIE ÄRMEREN RAUS AUS DEN STÄDTEN UND INS GHETTO / Lebensplanung in Zeiten des forcierten Antirassismus & der Gleichheitsbeteuerungen
MESOPOTAMIA NEWS – WAS DIE DEUTSCHE LINKE FERNAB VON SIEGFRIED KRACAUER AN KULTURKRITIK NICHT MEHR ZU ERFASSEN IMSTANDE IST
Kampfansagen gegen das Zeitalter der Lautlosigkeit – „der Selbstlenker wird vom (staatlichen) Systemlenker abgelöst; etwas anderes, heißt es, könne man sich angesichts des Klimawandels nicht leisten.“ – Von Niklas Maak (FAZ)
Vor kurzem schaltete der Autohersteller Smart eine seltsame Anzeige. „Jetzt die letzten Benziner sichern — ab 2020 fährt Smart nur noch elektrisch”, hieß es dort. Einmal noch den Auspuff qualmen lassen, einmal noch Krach machen, bevor all das im Namen des Klimaschutzes verboten wird: Das war die halbironisch-nostalgische Botschaft der Autoindustrie am Ende eines Jahres, das schon mit einer Emissions-Schockmeldung begann.
Nach Angaben des Umweltbundesamtes wurden an Silvester mit Raketen und Böllern 4500 Ton-nen Feinstaub in die Luft geblasen, 15,5 Prozent der Emissionen, die jährlich durch den Autoverkehr entstehen. Sofort wurde gefordert, die private Knallerei, für die jedes Jahr 137 Millionen Euro ausgegeben werden, im Namen der Luftreinhaltung zu verbieten. In Familien brach Streit über die Böllerfrage aus, Kinder weinten, die Luft im Familiendiesel wurde dick.
Das Jahr 2018 war ein Jahr des Kampfes um Schall und Rauch: die Diesel-Krise erreichte ihren Höhepunkt, die Deutsche Umwelthilfe erzwang Fahrverbote, gleichzeitig brach der Absatz von SUVs alle Re-korde, und in mehreren deutschen Groß-städten war das von der Jugend, die angeblich nichts mehr mit Autos am Hut hat, meist heruntergeladene Lied auf Spotify der Song „500 PS” von Bonez MC und RAF Camora, eine Ode ans übermotorisierte Leben.
Beide Seiten radikalisierten sich: Die Bürger wollen PS und Krach, die Politik träumt von lautlosen, ökologisch vorbildlichen, zentral gesteuerten E-Städten: im Saarland wollten sie sogar Sportauspuffanlagen verbieten, in Paris kündigte die Bürgermeisterin Anne Hidalgo an, bis 2030 alle Verbrennungsmotoren zu verbannen.
2018 war das Jahr, in dem das Zeitalter der Lautlosigkeit beginnen sollte — aber auch das Jahr, in dem Qualm und Rauch in die Städte zurückkamen: In Los Angeles, aber auch in Berlin drangen die Rauchschwaden der Waldbrände bis ins Zentrum, durch Paris zog der Rauch der brennenden Barrikaden der Gelbwesten.
Es ist vielleicht mehr als ein dummer Zufall, dass parallel zur Smart-Anzeigenkampagne die Bilder von brennenden Smarts um die Welt gingen, die in Paris von Randalierern angezündet worden waren. Der Smart ist wie kein anderes Auto ein Symbol der privilegierten Städter, die eigentlich gar kein Auto brauchen. Der kleine, teure Zweisitzer ist das Gegenteil der alten Dieselkarren, mit denen diejenigen auf dem Land oder in den Vororten zur Arbeit fahren, die gegen Macrons Öko-Steuer auf Diesel protestierten. Allein die Farbe ihrer Westen war ja eine Art von optischem Krach: Im Zentrum von Paris sind nicht nur die edlen Häuser beige und grau, auch die Möbel, die Mode, die Spielzeuge in den Schaufenstern zeigen milchig gedeckte, dezente Beige-bis-Anthrazit-Farben, das Spektrum des globalisierten guten Geschmacks. Die signalgelben Farbbeutel trugen den schrillen Ton der Billigprodukte aus der Banlieue ins das Zeitälter der Lautlosigkeit ins teure Zentrum, der brennende Elektro-smart war eine rabiate Erinnerung daran, dass die privilegierten Städter ihren Auspuff bloß woanders hinstellen und so das Problem zu den Ärmeren aufs Land und in dortige Kraftwerke verlagern, wo der Strom fürs lautlose innerstädtische Elektroglück hergestellt wird; Pech, wer daran nicht teilnehmen kann.
In Amerika hat der Protest der auf dem Land Abgehängten gegen die Selbstfeier ökologisch vorbildlicher Stadteliten zu einem bizarren Ritual geführt, dem „Rolling Coal”: Truckfahrer manipulieren ihre Dieselmotoren so, dass aus dem Auspuff bei Bedarf gigantische schwarze Rußwolken donnern; mit Vorliebe dieseln die „Rolling Coaler” Städter in ihren Elektroautos ein.
Hinter Rolling Coal steckt aber mehr als bloß eine asoziale Freude am Beschmutzen von Eliten, deren Ästhetik der Reinheit und Lautlosigkeit zum sozialen Distinktionsmerkmal geworden ist. Lange war Qualm ein Zeichen dafür, dass die Dinge gut liefen: Der Fabrikant, der im Angesicht rauchender Fabrikschlote zufrieden an seiner Zigarre zieht, sich einen „Racke Rauchzart” eingießt und dann in seinem Superbenziner davonröhrt, war der Prototyp des krach- und rauchfreudigen zwanzigsten Jahrhunderts.
Blaise Cendrars interpretierte „den Lärm der Auspufftöpfe” noch als Ausdruck von Optimismus und Zukunftsfreude einer jungen Gesellschaft: Im Röhren und Knattern manifestiere sich ein „Hört her: Ich bin hier, ich trete in die Welt ein” derjenigen, denen gesellschaftliche Teilhabe bisher versagt war.
Die Freude an Rauch und Rauchen, sich „vor dem Gesicht ein Feuer” zu machen”, meinte der Kulturtheoretiker Sebastien Marot einmal, entspreche einer Miniatur des Feuers, das man sich einst machte, um sich zu wärmen. Der Nachfolger dieser Qualm-und-Lärm-Götter ist der um seine Gesundheit besorgte, sich mit Apple Watch optimierende Mensch des lautlosen 21. Jahrhunderts, der in selbstfahrenden Kapseln durch Städte sirrt, in denen allenfalls einmal ein zentral organisiertes, feuerwerkähnliches Hologramm zu sehen sein wird. Woher die Freude an Kaminen, Zigaretten, Böllern und Motoren kommt, können Psychologenleicht erklären — weil sie umweltschädlich sind, werden sie trotzdem verboten werden.
Ein übersehener Nebeneffekt ist, dass mit den Verboten die Verantwortung des Individuums an den Staat delegiert wird. Statt selbst zu böllern, soll ein zentrales Feuerwerk organisiert werden; statt selbst zu fahren, sollen autonome Transportzellen durch die Stadt sirren. Dem Bürger wird im Namen von Komfort, Sicherheit und Ökologie das Lenkrad aus der Hand genommen, der Selbstlenker wird vom Systemlenker abgelöst; etwas anderes, heißt es, könne man sich angesichts des Klimawandels nicht leisten.
In der Logik dieses Arguments müsste allerdings nicht nur der Verbrennungsmotor, sondern auch der Konsum von Rindfleisch (die Abholzungen für Weideland und die Methanemissionen produzieren laut UN-Studien deutlich mehr Umwelt-schäden als alle Verbrennungsmotoren der Welt) verboten werden, und die gesellschaftlichen Folgekosten von Alkoholkonsum bilden sich ebenfalls nicht in Schnaps- und Bierpreisen ab: All jene, die jetzt das Ende von Böllern und Autos fordern, argumentieren deren Anhänger, dürfen nicht jammern, wenn es im nächsten Schritt keine Steaks mehr gibt und ein Bier zehn Euro kostet, sofern es nicht vom Gesundheitstracker bei Androhung extremer Krankenkassenbeiträge sowieso verboten wird.
Im drohenden Kulturkampf zwischen dogmatischen Politikern, die nicht mehr an Einsicht und Erziehbarkeit der Bürger zu maßvollem Umgang glauben, und den Verteidigern des Freiheitsrechts auf lustvolle Selbstbeschädigung sollte man eine ganz anders verlaufende Frontlinie nicht vergessen: Oft verschleiert das moralisierende Oko-Argument nur ökonomische Interessen. Es ist sehr viel einfacher, Elektroautos zu bauen als Verbrennungsmotoren; der VW-Konzern will in Deutschland zukünftig mit sehr viel weniger Arbeitskräften Elektroautos bauen — und so höhere Gewinnmargen erzielen. Wirklich sinnvoll wäre dagegen der Bau von Städten, die es allen, auch den in die Vorstädte abgeschobenen Ärmeren, erlauben, mit dem Fahrrad oder zu Fuß überall hinzukommen; sinnvoll wäre der massive Ausbau von Bahnen und Nahverkehr.
Bei der Diskussion darüber, wie viel staatliche Lenkung wirklich notwendig ist, wird man als Erstes schauen müssen, welche Interessen sich tatsächlich hinter all den Projekten verbergen, die scheinbar bloß Luftverbesserung, Komfort und Sicherheit dienen.
NIKLAS MAAK