Der Preis des Nichtstuns

(BRAVO FRANKFURTER RUNDSCHAU ! – MESOP)

Von Jonas Nonnenmann – Frankfurter Rundschau – 12.3.2013

Nahostexperte Lebeuf über Syrien: “Derzeit erhalten nur zwei Kräfte des Bürgerkriegs Nachschub: Assads Regime und die Dschihadisten.”

Deutschland verweigert den Rebellen in Syrien weiter effektive Hilfe. Die Haltung ist nicht nur menschlich brutal, sie stärkt auch die falschen Kräfte. Ein Standpunkt. Die EU lockert das Embargo für die syrische Opposition, meldet Außenminister Guido Westerwelle: Ab sofort darf auch Tränengas geliefert werden, außerdem Gummigeschosse und gepanzerte Fahrzeuge.Für die Menschen in Syrien muss die Nachricht klingen wie ein zynischer Witz.

Warum bitte sind solche Lieferungen nicht längst erlaubt? Und was soll das bringen? Gummigeschosse und Tränengas halten vielleicht ein paar demonstrierende Teenager auf, aber sicher keine marodierende Armee.

Fast zeitgleich wird gemeldet, dass deutsche Islamisten in Syrien zum Kampf aufrufen. NDR-„Panorama 3“ zeigt am Abend laut Ankündigung Bilder des 38-jährigen Hayan M.; er hat nur noch ein Bein, lässt sich aber im Rollstuhl an die Front rollen. Dort schießt er ganz sicher nicht mit Gummigeschossen.

Die Nachrichten hängen zusammen: Dass in Syrien Gestalten wie Hayan M. die Regie übernehmen und UN-Soldaten gekidnappt werden (wir berichteten), all das ist auch die Folge der westlichen Nichteinmischungspolitik. „Derzeit erhalten nur zwei Kräfte des Bürgerkriegs Nachschub: Assads Regime und die Dschihadisten“, sagt der liberale Nahostexperte Koert Lebeuf.

Jedes Syrien-Embargo verlängert das Leiden

Das deutsche Außenministerium beeindruckt das offenbar nicht. Ausgerechnet jene pseudopazifistische Regierung, die Panzer an Diktaturen verscherbelt wie Waschmaschinen. Dieselbe Regierung blockiert die Lieferung von allem, was dem syrischen Widerstand effektiv helfen würde. Das unausgesprochene Motto: Wer keine Verantwortung übernimmt, macht auch nichts falsch.

Konkret argumentiert Westerwelle, Waffenlieferungen könnten zu einem Wettrüsten in der Region führen. Doch das Rüsten, das es angeblich zu verhindern gilt, ist bereits in vollem Gang. Iran und Saudi-Arabien führen bereits einen Stellvertreter-Krieg; Iran beliefert Assad, Saudi-Arabien und andere arabische Nachbarn die Rebellen. Die USA leisten zumindest Hilfe bei der Ausbildung.

Sicher: Mehr Waffen in den Händen der Rebellen würden den Konflikt kurzfristig wohl verschärfen. Und ja: Nicht jeder der Kämpfer ist ein Freund der Freiheit. Trotzdem sind die Folgen des Nichtstuns schlimmer. Jedes Embargo gegen die Rebellen verlängert das Überleben eines strauchelnden Regimes und damit das Leiden der Syrer unter einem brutalen Krieg, der alltäglichen Folter, dem Verlust von Verwandten. Jede pazifistische Erklärung Westerwelles sendet unterschwellig das Signal: Ihr schafft das schon, aber wie viele von Euch dabei auf der Strecke bleiben, ist zweitrangig.

Alles zusammen treibt die syrische Bevölkerung in die Hände der islamistischen Rattenfänger, die zwar nicht die richtigen Ziele haben, aber in diesem Fall auf der richtigen Seite stehen. In der Not sind solche Menschen sympathischer.

MESOP KOMMENTAR

…. Sie hatten eben darauf gehofft, sich mit Abwarten + ein paar guten Worten aus der Affaire ziehen zu können – nun  merken sie, es kostet sie das was! Und diese Kosten kommen mit Zinsen auf sie zu : Die sich entfaltende militant islamistische Destabilisierung von Mashreq bis Maghreb.

Es hätte keines einzigen westlichen oder internationalen Soldaten bedurft, um in Syrien zu intervenieren. Nur die Luftwaffe des Diktators hätte zerstört werden müssen: sein wesentlicher militärischer Trumpf. Das wäre mit den vorhandenen Mitteln in einem Tag binnen 6 Stunden erledigt gewesen: Zehntausende Menschen hätten überlebt und ganze historische Städte wären intakt. Besonders auch die nun völlig vernichtete Ökonomie des Landes. Die Mehrheit der Menschen Syriens hätte applaudiert. Am Ende auch die Alewiten.

Al Nusra aber wäre unnötig gewesen und en route Hindukusch verschwunden.

‚Souverän ist nur, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“.