„Befreites“ Syrisch-Kurdistan?

jungle world (Berlin) – Gastbeitrag von Eva Savelsberg – 30.6.2013

Seit die Partei der Demokratischen Union (PYD), die syrisch-kurdische Schwesterpartei der PKK, in einem Großteil der kurdischen Gebiete die Kontrolle übernommen hat, werden diese auch von der internationalen Presse gerne als „befreite Gebiete“ bezeichnet. Kaum jemanden interessiert, dass die Übernahme der Kontrolle allein aufgrund eines Deals mit dem syrischen Regime erfolgt sein kann – wie sonst ist zu erklären, dass die PYD Rathäuser und Versorgungswerke, Ölfelder und Grenzposten, Tankstellen und Kulturzentren kampflos übernahm?

Während die einen sich wundern, ob nun in Syrisch-Kurdistan ein ähnliches Modell ansteht wie in Irakisch-Kurdistan, fürchten die anderen bereits das Auseinanderbrechen der syrischen Staates. Kaum diskutiert wird jedoch, dass die PYD in den letzten eineinhalb Jahren ein Terrorregime in Syrisch-Kurdistan errichtet hat, das Andersdenkende und potentielle Konkurrenten gnadenlos verfolgt, entführt, foltert und tötet. Manch außenpolitische Berater lobt gar die „Stabilität“ (!), die die PYD in den kurdischen Gebieten schaffe.

Zumindest davon sollten all diejenigen, die nicht vollständig blind sind, ab sofort Abstand nehmen: Als Demonstranten in der kleinen kurdischen Grenzstadt Amuda am vergangenen Donnerstag gegen die Entführung von drei Aktivisten durch die PYD protestierten, war dies der PYD und ihrer Miliz, den sogenannten Volksverteidigungseinheiten, endgültig zu viel Kritik. Sie schossen in die Menge, töteten mindestens sechs Personen, entführten Hunderte weitere und brannten Parteibüros, Jugend- und Frauenzentren nieder. Hunderte Aktivisten und Politiker halten sich versteckt, um dem Zugriff der PYD zu entkommen.

Hätte das syrische Regime in den vergangenen vierzig Jahren auch nur ein kurdisches Parteibüro angezündet – wir können sicher sein, kurdische Parteivertreter hätten jährliche Gedenkveranstaltungen abgehalten und mindestens ein „Massaker“ an den Kurden beklagt, wenn nicht gar von einem „Holocaust“ gesprochen. Wenn die PYD zwanzig Parteibüros anzündet, herrscht vor allem eins – Schweigen. Teils aus Angst und politischer Hilflosigkeit, teils, weil viele Kurden der ebenso gefährlichen wie nationalistisch-verblendeten Meinung anhängen, dass Kurden andere Kurden nicht kritisieren sollen. Wer vom „arabischen Feind“ gefoltert wird, ist ein Held, wer gleiche Praktiken unter Kurden beklagt, ein Verräter.

Statt auch im sicheren Europa zu schweigen, wird es höchste Zeit, dass wir die wenigen Mutigen unterstützen, die in Amuda und al-Qamischli, in Afrin und ad-Darbasiya gegen den Terror der PYD aufstehen und ihr Leben riskieren.