Baut Assad sich seine eigene Atombombe?

MESOP : ….. und auch hier macht Obama mit !

Im Nahen Osten droht ein nukleares Wettrüsten, fürchten Kritiker. Jetzt kursieren Berichte über ein syrisches Atomwaffenprogramm. Rüstungsexperte Hans Rühle erklärt, was an den Hinweisen dran ist.

DIE WELT 21 Mar 2015 – Auf den Satellitenfotos sieht man spärlich bewachsene Berge, staubtrockene Pisten, ein paar eckige Gebäude. Aber hinter diesem Bild verberge sich mehr, als auf den ersten Blick sichtbar sei, erfuhren die Leser des “Spiegels”. Die Wahrheit sei eine “höchst beunruhigende Nachricht”, denn hier seien nun “Assads geheime Atompläne” enthüllt. Syriens Diktator habe nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste seinen Traum von der Bombe nicht aufgegeben “und an einem geheimen Ort eine neue Atomanlage gebaut”, stellte der Autor des Artikels, Erich Follath, fest. Bei der Aufnahme handele es sich nämlich um ein “Satellitenfoto der verborgenen Atomanlage bei Kusair”.

Doch Follaths Spekulationen haben wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Keiner der angeblichen Beweise oder Indizien ist geeignet, seine Behauptung zu tragen. Im Gegenteil. Abgesehen von ominösen Aussagen aus angeblich abgefangenem Funkverkehr gibt es für jede dieser Vermutungen alternative Erklärungen. Nicht ohne Grund nannte der Direktor des Instituts für Wissenschaft und internationale Sicherheit (ISIS), David Albright, den Artikel “verstörend”, um in einer anschließenden Detailkritik sein Unverständnis für die Spiegel-Geschichte zu dokumentieren.

Bei der auf dem Satellitenfoto gezeigten “verborgenen Atomanlage bei Kusair” handelt es sich um eine seit Jahren allen einschlägigen Geheimdiensten bekannte Anlage, die schon seit mehreren Jahren in Google Earth besichtigt werden kann. Im August 2012 war in der englischen Fachzeitschrift “Jane’s Intelligence Review” zu lesen, die Anlage von Kusair sei ein Munitionslager für Scud-Raketen. Baugleiche Anlagen gibt es vielfach in Syrien, in der Regel werden sie ebenfalls als Munitionslager genutzt.

Ein Berg von Vermutungen

Aber ist die Anlage von Kusair in den letzten Jahren vielleicht verändert worden, um sie für höhere Ansprüche zu qualifizieren, wie der Text nahelegt? Zwar urteilt Albright, man könne von außen “nichts erkennen, was nuklear-spezifisch wäre”, doch die eigentliche Brisanz der Geschichte ergibt sich ohnehin aus dem vermuteten Innenleben der Anlage. Da türmt Follath einen Berg von Vermutungen auf, die “eine Entwicklung von unabsehbarer weltpolitischer Tragweite” beweisen sollen. Es beginnt mit Aussagen über den Verbleib der 8000 Brennstäbe, die Nordkorea für den Betrieb des 2007 von den Israelis zerstörten syrischen Reaktors al-Kibar geliefert hatten und die seither an unterschiedlichen Orten vermutet werden. Nach Erkenntnissen seiner geheimdienstlichen Quellen, so Follath, seien die Stäbe in Kusair gelagert – jedoch nicht aus Sicherheitsgründen, sondern für den Aufbau eines Reaktors oder einer Anreicherungsanlage. Die Brennstäbe könnten dort “entsprechend angereichert” und zu drei bis fünf Bomben verarbeitet werden.

Doch das ist schlichtweg unmöglich. Denn die Brennstäbe bestehen aus Natururan und können nicht auf ein waffenfähiges Niveau angereichert werden, ohne vorher in einer Konversionsanlage in gasförmiges Uranhexafluorid umgewandelt worden zu sein. Eine solche Anlage gibt es nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand in Syrien jedoch nicht. Mit anderen Worten: Selbst wenn, was extrem unwahrscheinlich ist, in Kusair eine unterirdische Anreicherungsanlage gebaut worden sein sollte, ergibt sich aus dem Umstand, dass dort 8000 Brennstäbe aus Natururan lagern, keine echte nukleare Option.

Würde Israel einen Reaktor übersehen?

Auch die Annahme, in der Anlage befinde sich “wahrscheinlich” ein Reaktor, ist kaum mit der Logik vereinbar. Die 8000 Brennstäbe, die ja auf den jeweiligen Reaktortyp optimiert sind, könnten nur für einen Grafit-Reaktor verwendet werden. Doch nirgendwo ist bisher ein unterirdischer Gas-Grafit-Reaktor gebaut worden. Die Probleme wären enorm.

US-Staatssekretär Kerry, die Außenminister Philip Hammond (Großbritannien), Sergei Lavrov (Russland), Mohammad Javad Zarif (Iran), Frank-Walter Steinmeier (Deutschland), Laurent Fabius (Frankreich), EU-Gesandte Catherine Ashton und der chinesische Außenminister Wang Yi.

Das gilt insbesondere für das Wassermanagement. Skeptisch beurteilen Experten nämlich auch die Behauptung, die Anlage Kusair verfüge über einen “tief gebohrten Brunnen, der den Komplex mit dem 4 Kilometer entfernten Saita-See verbindet”. Ob das im Satellitenfoto bezeichnete Objekt überhaupt ein Brunnen ist, bleib zweifelhaft. Aber Albright und auch Olli Heinonen, ehemaliger Chefinspekteur der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), können mangels erkennbarer dicker Rohrleitungen für Zu- und Ableitung großer Wassermengen zwischen Kusair und dem See den Schluss auf die Existenz eines Reaktors nicht nachvollziehen. Nicht ohne Grund werden Reaktoren dieser Art in der Nähe fließender Gewässer angelegt.

Wäre in Kusair ein unterirdischer Reaktor gebaut worden oder im Bau, betrüge die Bauzeit mindestens acht bis zehn Jahre; das ergibt sich aus der Geschichte baugleicher Gas-Grafit-Reaktoren in Nordkorea und al-Kibar. Da Kusair im Aufklärungsbereich der israelischen Luftwaffe liegt und regelmäßig überflogen wird, kann es als ausgeschlossen gelten, dass der aufwendige Bau eines Reaktors übersehen wurde. Nicholas Blanford, der sich im “Christian Science Monitor” mit Follaths Artikel befasst hat, merkte ironisch an, der beste Beweis für die Zweifelhaftigkeit der These sei die Tatsache, dass die Anlage noch immer bestehe und nicht von Israel zerstört worden sei, wie der real existierende Reaktor al-Kibar.

“Geheimcode ZamZam”

Der “Spiegel”-Autor meint jedoch, Israelis und Amerikaner hätten den Umbau der Anlage in eine “Atomfabrik” wohl verschlafen. Nun sei es zu spät, den Reaktor zu zerstören. Denn anders als in al-Kibar “wären dafür bunkerbrechende Waffen nötig, mit unübersehbaren Risiken für die Umwelt”. Auch diese Annahme ist Unsinn. Natürlich würde Israel für die Zerstörung der Anlage bunkerbrechende Waffen benötigen. “Unübersehbare Risiken für die Umwelt” wären damit aber nicht verbunden – es sei denn, der Reaktor wäre bereits in Betrieb. Das kann aber nicht der Fall sein. Gäbe es in Kusair einen Reaktor und wäre er in Betrieb, würden die Emissionen von diversen Gasen dies untrüglich dokumentieren.

Selbst die “deutlichsten Belege” dafür, dass es sich bei Kusair “um eine nukleare Anlage handelt” – dem angeblich abgefangenen Funkverkehr –, überzeugen nicht. Die wenigen Details, die der Artikel hierzu nennt, eignen sich jedenfalls nicht als Beweise. Der Hinweis auf den für die Anlage Kusair möglicherweise benutzten “Geheimcode ZamZam” erinnert eher an ein Märchen aus 1001 Nacht. Hier kann der Leser nicht mehr analysieren, er muss einfach glauben – an die Unfehlbarkeit eines Autors, der beweisen will, dass die Welt auf unverantwortliche Weise eine akute nukleare Bedrohung aus Syrien übersehen hat. Doch sein Artikel ist nicht einmal eine intelligente Spekulation. http://www.welt.de/politik/ausland/article138594864/Baut-Assad-sich-seine-eigene-Atombombe.html