MESOP REPORT : DER ANTEIL DER DEUTSCHEN BUNDESREGIERUNG AM KAMPF UM MOSUL

Kampf um Mossul  – Planen für den Tag danach

Die Befreiung von Mossul ist eine Frage der Zeit. Die Vorbereitungen laufen, um danach Konflikte in der irakischen Stadt zu vermeiden – auch mit deutscher Hilfe. –  von Rainer Hermann (FAZ) 19 Okt 2016

Am zweiten Tag der Offensive zur Befreiung der nordirakischen Stadt Mossul haben am Dienstag die irakische Armee und die kurdischen Peschmerga ihren Vormarsch verlangsamt. In Arbil, dem Sitz der kurdischen Regionalregierung, sagte Präsident Massud Barzani, die Peschmerga hätten am Montag östlich von Mossul 200 Quadratkilometer erobert. Die beteiligten Streitkräfte seien am Montag schneller als geplant vorgerückt, sagte in Washington der Sprecher des amerikanische Verteidigungsministeriums. Die Befreiung der Stadt, die seit Juli 2014 unter der Kontrolle der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) steht, sei jedoch eine langwierige Mission, warnte er.

„Auch wenn wir nicht wissen, wie lange die Befreiung von Mossul vom IS dauern wird: Es ist wichtig, jetzt bereits für den Tag danach zu planen“, sagte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier dieser Zeitung. Die Befreiung Mossuls stelle, was das Ausmaß der Militäroperation sowie die Komplexität der Herausforderungen in der humanitären Hilfe und der Stabilisierung betrifft, vorangegangene Befreiungsoperationen klar in den Schatten, heißt es aus dem Auswärtigen Amt.

Die Befreiung von Mossul ist eine Frage der Zeit – danach müssen neue Konflikte vermieden werden

Diese Stabilisierung „ist uns in Ramadi und Tikrit ganz gut gelungen“, so Steinmeier. Man habe gelernt, dass man schnell handeln müsse, damit die Vertriebenen Vertrauen schöpften und zurückkehrten und damit wir ihnen „konkrete Perspektiven für ihr Leben in ihrer befreiten Stadt und den Wiederaufbau anbieten können“, sagte Steinmeier.

Um Maßnahmen für die Zeit unmittelbar nach der Befreiung vorzubereiten, hat am 7. Oktober in Bagdad erstmals der „Mossul-Stabilisierungsrat“ getagt, in dem die irakische Regierung sowie lokale und internationale Partner vertreten sind. Weitere Treffen werden vorbereitet. Der Rat geht auf eine Initiative der Bundesregierung zurück. Ziele sind, den Menschen eine sichtbare Perspektive für den Wiederaufbau zu bieten, Stabilisierungsprojekte zu koordinieren und zu einem politischen Interessenausgleich beizutragen, heißt es aus dem Auswärtigen Amt.

90 Prozent der Menschen kehrten nach Tikrit zurück

Deutschland war bereits in drei Städten an Maßnahmen zur Stabilisierung nach der Befreiung vom IS führend beteiligt. Als Folge kehrten weit mehr als 90 Prozent der Menschen nach Tikrit zurück, in Falludscha und Ramadi hat die Rückkehr der Bevölkerung begonnen. Das Konzept für Mossul baut auf den Erfahrungen in diesen Städten auf. Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung haben 2016 für die befreiten und zu befreienden Gebiete bisher 33,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Zusätzlich zu Maßnahmen wie der Beseitigung von Sprengfallen und der Wiederherstellung der Basisinfrastruktur soll ein Rückfall in konfessionelle Konflikte verhindert und die Legitimität der Zentralregierung in den Gebieten gestärkt werden, die vom IS befreit werden. In Mossul besteht indes die Gefahr von Racheakten: von Seiten der schiitischen oder kurdischen Befreier, die gegen die Sunniten vorgehen könnten, weil sie diesen eine Sympathie für den IS unterstellen; von Seiten der Sunniten, die vertrieben werden und die Befreier nicht als solche begrüßen; von Seiten der Gemeinden, die die meist sunnitischen Flüchtlinge aus Mossul feindselig aufnehmen.

Es gelte, dass alle Beteiligten „wirklich den Kampf gegen den IS ins Zentrum ihrer Politik stellen“, fordert Steinmeier. Alte Rechnungen zu begleichen, konfessionell-ethnischen Streit anzufachen oder geopolitische Verschiebungen erreichen zu wollen, gefährde das gemeinsame Ziel des Kampfes gegen den IS. „Wir müssen alles tun, damit nicht neue Bruchlinien in einem ohnehin geschwächten irakischen Gemeinwesen aufreißen.“

Dazu stellt die Bundesregierung viel Geld bereit. Deutschland hat in diesem Jahr im Irak bereits humanitäre Hilfe im Umfang von 103,5 Millionen Euro geleistet. Seit Anfang 2014 hat das Auswärtige Amt im Irak für humanitäre Hilfe 203,3 Millionen Euro bereitgestellt. Deutschland ist damit der größte humanitäre Geber im Irak. Davon hat die Bundesregierung für die humanitäre Soforthilfe in Mossul bislang 10 Millionen Euro bereitgestellt und für das Welternährungsprogramm 25 Millionen Euro. Die Gelder werden für die Versorgung der aus Mossul fliehenden Menschen eingesetzt, etwa zum Bau von Notunterkünften, zur Versorgung mit Nahrungsmitteln, zur Gesundheits- sowie zur Trinkwasser- und Abwasserversorgung. Da Kurdistan kaum weitere Vertriebene aufnehmen kann, werden neue Lager außerhalb der kurdischen Gebiete gebaut.

Hoher humanitärer Bedarf für die Binnenflüchtlinge

Die schiere Dimension und Komplexität der humanitären Probleme werden die internationale Gemeinschaft stark fordern, erwartet das Auswärtige Amt. In einer ersten Phase wird vor allem ein hoher humanitärer Bedarf für die Binnenflüchtlinge entstehen. In einer zweiten Phase soll der Stabilisierungsbedarf von Mossul – wie zuvor in Ramadi und Falludscha – bedient werden. In beiden Städten soll die Minen- und Sprengfallenräumung ausgeweitet werden, dazu stellte das Auswärtige Amt bereits 15 Millionen bereit. Entsprechende Planungen für Mossul stehen. In der dritten Phase steht die Förderung inklusiver Lokalverwaltungen und eines friedliches Zusammenlebens der Bevölkerungsgruppen im Vordergrund.

Das Rote Kreuz fürchtet unterdessen, dass der IS chemische Waffen einsetzen könnte. Krankenstationen um Mossul würden für die Behandlung von Opfern chemischer Attacken vorbereitet, erklärte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Genf. Ein Sprecher der UN-Nothilfeorganisation (OCHA) sagte, aus Mossul könnten eine Million Menschen fliehen. http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/mossul-planen-fuer-den-tag-danach-14487071.html