MESOP DOCUMENTATION : Supergau für US-Geheimoperation in Syrien | ISIS veröffentlicht brisantes CIA-Videomaterial

von Julian Röpke (BILD) 28 Juli 2016 – Aufnahmen geben Einblicke in die US-Ausbildung moderater syrischer Rebellen

Vergrößern Ein Soldat der „New Syrian Army“ zeigt seine Flaggen-Sticker: Die des freien Syriens und die der Vereinigten Staaten von Amerika
Von Julian Röpcke

Die Terrororganisation ISIS ist in den Besitz eines amerikanischen Geheimdienst-Videos gelangt. Es zeigt die militärische und taktische Ausbildung syrischer Rebellen durch die CIA!

Die Aufnahmen, insgesamt fast 20 Minuten lang, wurden am 27. Juli vom ISIS-Medienorgan „Al Furat“ online veröffentlicht. Zudem ist es eine politische Katastrophe, da sorgfältig geheim gehaltene Details zum Engagement in Syrien von ISIS für Propaganda missbraucht werden.

BILD analysierte das Video mithilfe von Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem brisanten Material.

Was ist in den Aufnahmen zu sehen?

Der Beitrag von „Al Furat“ zeigt typische ISIS-Propaganda mit religiösen Liedern, Anschlägen und Enthauptungen – und dazu Szenen, die für die USA und ihre Verbündeten in der Region höchst unangenehm sind.

Zu sehen ist im Detail, wie US-Soldaten syrische und wahrscheinlich auch irakische Männer der „New Syrian Army“ (NSyA) an US-Waffen ausbilden und wie mutmaßliche CIA-Agenten die Kommandeure der Gruppe in der Öffentlichkeitsarbeit schulen.

In einer jordanischen Militärbasis werden die Rebellen, die vor allem gegen ISIS kämpfen sollen, an amerikanischen Gewehren, Maschinengewehren und Mörsern ausgebildet.

Vergrößern Syrische Rebellen sehen offenbar zum ersten mal das US-Maschinengewehr M249, an dem sie trainiert werden sollen
Syrische Kämpfer sehen offenbar zum ersten Mal das US-Maschinengewehr M249, an dem sie trainiert werden sollen

Auch Computer-Training zum Anfordern von Verstärkung durch die US-Luftwaffe ist zu sehen, oder wie ISIS es darstellt: zur psychologischen Kriegsführung und zum Überzeugen der Bevölkerung, sich gegen die Terroristen zu stellen.

Vergrößern

Video zeigt CIA-Agenten mit syrischem Kommandeur

Besonders brisant sind Szenen, in denen ein mutmaßlicher CIA-Agent dem Kommandeur der Einheit beibringt, wie er sich in der Öffentlichkeit präsentieren soll. , rät er dem Anti-ISIS-Kämpfer, als dieser sich verhaspelt.

Vergrößern Schulung des Rebellen-Sprechers in Sachen Gestik während Presseerklärungen
Schulung des Rebellen-Sprechers in Sachen Gestik während Presseerklärungen 

In einer anderen Szene lässt der mutmaßliche Geheimagent den Syrer zuerst eine Rede vortragen und berät ihn dann zu seiner Körperhaltung: „Dass du mit den Armen gestikulierst, ist in Ordnung, aber die Beine … halt sie einfach still, so in der Art“, erläutert der CIA-Profi.

Vergrößern Der US-Agent berät den syrischen Kommandeur in Sachen Kommunikation
Der US-Agent berät den syrischen Kommandeur in Sachen Kommunikation

Wie die Rebellen sogar von ISIS lernen sollen

Peinlich wird die Veröffentlichung für die USA, als der US-Agent dem Syrer erklärt, warum ISIS so erfolgreich ist und wie er in Sachen Kommunikation von den Terroristen lernen könne: „ISIS ist sehr gut. Warum? Es gibt eine Verbindung zwischen ihren Ankündigungen und ihren Taten. Wenn es eine Drohung gibt, gibt es auch immer eine Aktion, die der Drohung folgt.“

Auch wie sich die „NSyA“ bezeichnen soll, bekommt der Kommandeur von dem Amerikaner vorgegeben: „Am besten ist es, wenn du sagst: Wir sind die Partner der internationalen Koalition in Syrien.“

Außerdem sind ganz private Aufnahmen tanzender US-Soldaten und Agenten mit den syrischen Partnern zu sehen. Auch dies dürfte die Gruppe in der arabischen Welt eher als Instrument der USA denn als syrische Rebellenorganisation dastehen lassen. ISIS betont diesen Aspekt im Laufe des Videos immer wieder und könnte mithilfe des Videomaterials bei unentschlossenen Syrern und Irakern punkten.

Vergrößern Ein US-Soldat tanzt mit den moderaten syrischen Rebellen
Ein US-Soldat tanzt mit den moderaten syrischen Rebellen

Wie kam ISIS an das brisante Video?

Der zweite Teil des Videos zeigt eine Militäraktion, die ISIS wahrscheinlich in den Besitz des nun veröffentlichten Materials brachte.

Dabei handelt es sich um eine Offensive der „New Syrian Army“ nach Monaten des Trainings durch US-Militärs und US-Geheimdienste am 29. Juni 2016. Von der Basis in „al-Tanf“ brach ein großer Militär-Konvoi nach Norden auf,  anfangs noch gedeckt von Flugzeugen der US-Luftwaffe. Sein Ziel: Die Stadt al-Bukamal, 220 Kilometer entfernt, die seit Mitte 2014 von ISIS im Würgegriff gehalten wird. Das Material legt nahe, dass die pro-westlichen Rebellen dort eine neue Basis errichten wollten.

Vergrößern Der NSyA-Konvoi in Richtung al-Bukamal. Zu dieser Zeit waren die gut ausgerüsteten Rebellen noch frohen Mutes
Der NSyA-Konvoi in Richtung al-Bukamal. Zu dieser Zeit waren die gut ausgerüsteten Rebellen noch frohen Mutes 

Auf zahlreichen durch die USA zur Verfügung gestellten Lastwagen transportierte der Trupp Waffen, Kommunikationsausrüstung und sogar Drohnen. Von allem hatten die Rebellen viel mehr bei sich als sie selbst brauchten. Ein Insider sagte zu BILD, wahrscheinlich habe man die lokale Bevölkerung nach der Vertreibung von ISIS bewaffnen wollen, um sich dem Kampf gegen die Terroristen anzuschließen.

DOCH DER PLAN MISSLANG!

Nach anfänglichen Erfolgen und der Besetzung des Militärflughafens von al-Bukamal holte ISIS zum Gegenschlag aus. Gleichzeitig zogen die USA ihre Luftunterstützung ab – angeblich, um die Offensive irakischer Streitkräfte auf Falludscha, 300 Kilometer weiter östlich, zu unterstützen. Daraufhin rieb ISIS die US-Verbündeten auf und zwang sie zum Rückzug.

Vergrößern „Lauft. Rückzug, Rückzug, Rückzug.“, so der Befehl der Rebellen als ISIS ihre Positionen überrennt
„Lauft. Rückzug, Rückzug, Rückzug“, lautete der Befehl der Rebellen, als ISIS ihre Positionen überrannte

► Bei den Kämpfen verlor die „New Syrian Army“ fünf Kämpfer und musste auch einen Großteil ihres mitgebrachten Materials zurücklassen, darunter moderne Waffen, Computer, Drohnen und wahrscheinlich auch den Computer, auf dem die Terroristen später das nun veröffentlichte Video entdeckten.

Vergrößern ISIS erbeutete ganze LKW-Ladungen von Material und Waffen der NSyA in al-Bukamal
ISIS erbeutete ganze Lkw-Ladungen von Material und Waffen der NSyA in al-Bukamal

Was die „New Syrian Army“ zu dem Vorfall sagt

BILD sprach exklusiv mit Mozahem Al-Saloum, Sprecher der „New Syrian Army“ und fragte ihn nach dem Video und den Umständen, wie es in die Hände von ISIS kam. Die Antwort war vielsagend: „Wir haben die Entscheidung getroffen, dass wir das gestern erscheinende Videomaterial nicht kommentieren werden“, sagte Al-Saloum zu BILD.

Vergrößern ISIS erbeutete dutzende von M16-Gewehren von den US-gestützten Truppen
ISIS erbeutete Dutzende M16-Gewehre von den US-gestützten Truppen

Der Sprecher spielte die Berichte über die plötzlich wegfallende US-Luftunterstützung herunter: „Wir haben gute Unterstützung durch die Amerikaner bekommen. Außerdem waren wir Teil der Entscheidung, die Kampfjets nach Falludscha abzuziehen, um ISIS dort zu bombardieren.“

Vergrößern Auch mehrere Drohnen zeigten die Terroristen als Beute, die sie von der „New Syrian Army“ eroberten
Auch mehrere Drohnen zeigten die Terroristen als Beute, die sie von der „New Syrian Army“ eroberten

Gefragt, ob die durch das Video bekannt gewordene Zusammenarbeit mit den USA weiterhin anhalte, sagte der Sprecher zu BILD: „Wir werden weiter mit all unseren Partnern gegen ISIS kämpfen. Alles ist gut und alles wird weiter so laufen, wie es dies bislang tat.“

Fakt ist aber auch, dass die „New Syrian Army“ seit der Niederlage von al-Bukamal keine neue Offensive gegen ISIS gestartet hat.

Experte: »Das ist eine wahre Katastrophe

Syrien-Experte Kyle Orton von der Denkfabrik „Henry Jackson Society“ sieht sowohl die Veröffentlichung des Videomaterials als auch die Umstände der Erbeutung durch ISIS wesentlich kritischer.

Vergrößern Auch dieses Kommunikationsmaterial und Modems erbeuteten die Islamisten. Dazu wahrscheinlich auch den Computer mit dem gezeigten Videomaterial
Auch dieses Kommunikationsmaterial und Modems erbeuteten die Islamisten. Dazu wahrscheinlich auch den Computer mit dem gezeigten Videomaterial

Zu BILD sagte er: „Der Islamische Staat ist in den Besitz von Bildern und Videos von innerhalb des NSyA-Trainingcamps gelangt.“ Dies sei „eine wahre Katastrophe“. Anscheinend stamme das nun öffentlich gewordene Material „von Geräten, die während des Debakels in al-Bukamal“ erbeutet wurden, so die ernüchternde Einschätzung des Experten.

Warum ist die Enthüllung so dramatisch für Amerika?

Die Veröffentlichung des Materials stellt einen Supergau für die Geheimoperation der USA gegen ISIS dar.

Vergrößern Auch diese drei US-Agenten in Jordanien wurden durch das ISIS-Video bloßgestellt
Auch diese drei US-Agenten in Jordanien wurden durch das ISIS-Video bloßgestellt

Denn es zeigt nicht nur die Gesichter zahlreicher mutmaßlicher CIA-Agenten und US-Spezialeinheiten. Auch die Details der Ausbildung von Rebellen in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit dürften den USA nicht gefallen. Das Video zeigt, dass die Rebellen die Art ihres Auftretens vor Anhängern und der Presse amerikanischen Agenten verdanken. Auch werden ihnen Argumente zugeliefert, wie sie ISIS in einem speziellen Licht dastehen lassen können.

Vergrößern Ein weiteres Video eines tanzenden US-Soldaten, wahrscheinlich einer Spezialeinheit, mit einem jordanischen Soldaten oder syrischen Kämpfer
Ein weiteres Video eines tanzenden US-Soldaten, wahrscheinlich einer Spezialeinheit, mit einem jordanischen Soldaten oder syrischen Kämpfer

Syrien-Spezialist Kyle Orton sieht ein riesiges Sicherheitsleck, auch, wenn ISIS das Material bei Kämpfen erobert haben sollte: „Für die wichtigste arabische Einheit, auf welche die USA ihr Geld gesetzt haben, ist so ein Versagen der operationellen Sicherheit besorgniserregend.“ ISIS könne das Material möglicherweise nutzen, um die Gruppe zu unterwandern, mahnt der Experte.

Auch die abgebildeten US-Agenten der CIA und möglicherweise anderer Geheimdienste könnten durch die Veröffentlichung gefährdet sein. Selbst wenn ihre Klarnamen geheim bleiben, könnte ISIS sie anhand von Gesichtserkennungs-Software speichern, schlimmstenfalls irgendwann identifizieren und sie oder ihre Familien durch Sympathisanten in den USA angreifen lassen.