Henryk M. Broder – Der Aftermieter des syrischen Diktators : Todenhöfer
Es gibt einen Satz, an dem man einen Antisemiten so sicher erkennen kann wie einen Alkoholiker an seiner Fahne: “Einige meiner besten Freunde sind Juden!” Und die sind in einigen wichtigen Dingen natürlich derselben Meinung wie der Antisemit: Daß die Juden am Antisemitismus schuld sind, daß sie den Holocaust “mißbrauchen”, um im Schatten eines Völkermordes ihren Geschäften nachzugehen, daß sie den Palästinensern das antun, was die Nazis den Juden angetan haben. Sagt der Antisemit und ruft zum Beleg dafür, daß er keiner ist, seine vielen jüdischen Freunde in den Zeugenstand.
Jetzt gibt es eine Light-Version dieses Satzes: “Ich habe viele Freunde in Israel. Von den meisten würde ich einen Gebrauchtwagen kaufen.”. Der Mann, der ihn gesagt bzw. geschrieben hat, gehört der großen Schar der deutschen “Nahostexperten” an, also der Scholl-Latour-Lüders-Steinbach-Perthes-Kienzle-Knaul-Günther-Armbruster-Engelbrecht-Blüm-Neudeck-Gruppe bzw. Bande. Er hat letztes Jahr im Auftrag der ARD den syrischen Präsidenten Assad interviewt und ihn dabei so lange in die Mangel genommen, bis der Damaszener feierlich versprach, sich die Ohren anlegen und das Kinn heben zu lassen.
Nun ja, nicht wirklich. Einige Blätter machten sich über das Interview lustig, andere lobten den Fragesteller. Der war auch begeistert, vor allem von seinem Gegenüber, “Assad ist ein sehr ruhiger, nachdenklicher Mann”, der mental gar nicht in der Lage wäre, einen Massenmord zu begehen oder anzuordnen und der ganz anders sei als “all die Diktatoren, die ich in meinem politischen Leben kennenlernen musste”. Außerdem habe der sanfte Diktator “so leise gesprochen”, dass der Journalist Probleme hatte, “ihn zu verstehen”.
Selten war der Begriff “Aftermieter” so angemessen wie bei dieser Begegnung zwischen einem Mörder und seinem Minnesänger. Ein gutes Jahr später setzte der Nahostexperte wieder zur Ehrenrettung seines Lieblingsdespoten an. Es sei “schwer vorstellbar”, dass dass der syrische Präsident Assad hinter dem Giftgaseinsatz mit über tausend Toten am 21. August in Damaskus stecken könnte. Denn: “Der mutmaßliche Einsatz chemischer Waffen erfolgte gerade einmal 20 Minuten entfernt vom Hotel der gerade auf Einladung Assads angereisten UN-Waffeninspekteure, in deren Hör- und Sichtweite. Dass die Regierung hinter dieser Aktion steht, macht keinen Sinn.“ Er glaube nicht, dass Assad „einen derartigen politischen Fehler begehen würde“.
Das ist in der Tat eine überzeugende Beweisführung. Erstens war es ein “mutmaßlicher Einsatz chemischer Waffen”, zweitens wäre es ein “politischer Fehler” gewesen, nicht etwa ein Massenmord. Für jeden, der sich in der Geschichte der Diktaturen auskennt, ist es ebenfalls “schwer vorstellbar”, dass die Nazis Konzentrationslager in unmittelbarer Nähe von bewohnten Städten gebaut haben könnten, Buchenwald bei Weimar, Auschwitz bei Oswiecim, Dachau bei Dachau. So blöd kann doch kein Diktator sein, schon gar nicht, wenn er ein nachdenklicher Mann ist, der ganz leise spricht.
Und so versetzt sich der Nahostexperte in die Gedankenwelt eines wirklich ungewöhnlichen Machthabers. “Eine demokratische Friedenslösung” sei „nur mit Assad möglich“, so lautet sein Fazit. Auf eine solche Chance einer “demokratischen Friedenslösung” hat der Mann, der Syrien von seinem Vater geerbt hat, schon lange gewartet. Leider wurden seine Intentionen lange missverstanden. Aber damit ist jetzt Schluss. Denn jetzt hat er einen Verbündeten gefunden, einen Bruder im Geiste, eben den Nahostexperten. Und der hat ein Buch geschrieben. Es heisst: “Du sollst nicht töten.” Zwar heißt das Sechste Gebot im Original “Du sollst nicht morden”, aber das muss unser Experte nicht wissen. Denn seine Aufforderung richtet sich nicht etwa an Assad, sondern an die Assad-Gegner. Assad tötet nicht und mordet nicht, allenfalls begeht er einen “politischen Fehler”.
Unser Nahostexperte freilich ist ein Leichenluder, einer, der sogar den Tod seines libyschen Fahrers vermarktet, ein Aasgeier de Luxe, der immer Ich meint, wenn er Wir sagt. Das ist auch auch bei seiner jüngsten PR-Aktion der Fall. Am 26.9. postete er den folgenden Eintrag auf seiner FB-Seite:
ICH BRAUCHE EURE UNTERSTÜTZUNG:
Am nächsten Montag stehen wir (!) auf Platz 6 der Bestsellerliste des „Spiegel“. Deutschland beginnt, sich mit den Thesen des Buches auseinanderzusetzen.
Es gibt eine Strategie, wie wir die Ideen von “Du sollst nicht töten” in ganz Deutschland verbreiten können. Wenn jeder von Euch 10 seiner besten Freunde in einer Kurz-Mail, bittet, das Buch zu kaufen, werdet Ihr staunen, wie viel positive Rückmeldungen Ihr bekommt.
Entschuldigt, dass ich Euch um so viel bitte. Aber es geht um eine große Sache: Um den Nachweis, dass Verhandlungen besser sind als Kriege, und die These, das es keine guten Kriege gibt. Krieg ist immer Mord, Verstümmelung und Plünderung. In einem spannenden Buch über den Mittleren Osten.
Wie ihr wisst finanziere ich mit meinem Teil der Einnahmen Prothesen für schwer-verletzte Kinder in Syrien.
Bitte helft mir noch mal! Ich kann leider nicht jeden Tag auf Deutschlands Straßen vor Plakaten stehen und rufen ” Bombing for peace is…”
Was für eine größenwahnsinnige Kanaille! Was Gott nicht geschafft hat, das will er schaffen. Und er hat eine Geschäftsidee. Jeder seiner Freunde soll jeweils zehn Freunde animieren, sein Buch zu kaufen. Früher nannte man so etwas einen “Kettenbrief”, heute ist es eine “Strategie”. Und mit den Einnahmen finanziert er Prothesen für schwer-verletzte Kinder in Syrien, die keine Prothesen brauchen würden, wenn wir (!) dem nachdenklichen, leise sprechenden Landesvater rechtzeitig in den Arm gefallen wären, statt sich von ihm beim Tee übern Tisch ziehen zu lassen.
Wie sagte es die von Wolfgang Neuss zum Leben erweckte Nonne Elisabeth aus Basel? “Ich bin die Nonne Elisabeth aus Basel. Ich bin eine Supernonne, meine Großmutter war Nonne, meine Mutter war Nonne. Schreiben Sie mir. Schreiben Sie mir auf mein Konto!”