MESOP : TRIBUT FÜR SAIT CÜRÜKKAYA / EIN MUTIGER INTEGRER MANN FÜR ALLE MENSCHEN – GEGNER DER ÖCALAN PKK
Kampf gegen den IS – Die tödlichen Hinterlassenschaften der Terroristen im Irak
02.11.2016 | WAZ – Essen. Der IS hat sich akribisch auf die Mossul-Offensive vorbereitet und Tausende Minen und Sprengfallen gelegt. Eine tödliche Gefahr für Soldaten und Zivilisten. Der Hamburger Sait Cürükkaya hat geholfen, die Bomben zu entschärfen. Jetzt ist er nach einer Explosion gestorben.
2014 ging Sait Cürükkaya in den Irak
Immer wieder hat Cürükkaya dieses Problem angesprochen, seit er sich im Sommer 2014 entschied, das angenehme Leben als Unternehmer in Hamburg aufzugeben und gegen den IS zu kämpfen, auf seine Weise. Cürükkaya, 1968 geboren im türkischen Bingöl, war immer ein politischer Mensch.
In den neunziger Jahren brach er sein Medizinstudium ab und kämpfte für die verbotene türkische Arbeiterpartei PKK, war ein Kommandant. Dann überwarfen er und sein Bruder sich mit der Partei und ihrem Führer Abdullah Öcalan. Sie wurden mit dem Tod bedroht, mussten fliehen.
2001 kam Cürükkaya nach Deutschland, studierte in Bremen Sozialwissenschaften, machte sich später in Hamburg selbstständig, betrieb eine Wäscherei. „Er hat sich immer für die Belange der Kurden eingesetzt, aber auch für die Integration von Kurden in Deutschland“, erzählt ein langjähriger Weggefährte.
Im Sommer 2014, als der IS die kurdischen Gebiete im Nordirak angriff, als die Dschihadisten die Sindschar-Region überrannten und ihre jesidischen Bewohner vertrieben, ermordeten und versklavten, machte sich Cürükkaya auf den Weg.
„Der Doktor“ entschärfte Tausende Sprengkörper
Im irakischen Kurdistan setzte er um, was er in den türkisch-kurdischen Bergen gelernt hatte, er baute er ein Freiwilligenteam von Minenräumern auf, schulte hunderte kurdische Peschmerga, entschärfte selbst tausende Sprengkörper. Doktor Süleiman nannten sie ihn dort respektvoll. Doktor, weil er einst Medizin studiert hatte, Süleman war sein Aliasname zu PKK-Zeiten.
„Doktor Süleiman war ein Mann, der menschliches Leben schützen und ihm dienen wollte“, sagt Mohammed Ahmed Ismail, „er war ein sehr guter Freiwilliger für die Peschmerga, aber auch für die Zivilisten.“
Für Zivilisten sind die Sprengfallen und Minen eine besondere Bedrohung. Viele Binnenflüchtlinge kehren jetzt zurück, um in den Trümmern der befreiten Dörfer und Städte zumindest ihre Habseligkeiten zusammenklauben zu können. In jedem Bündel Kleidung kann ein Sprengsatz stecken, hinter Bildern, unter Betten, in Glühbirnen.
Die auf Minenentschärfung spezialisierte UN-Organisation UNMAS hat allein in der zentralirakischen Provinz Anbar in der ersten Jahreshälfte fast 400 Zwischenfälle gezählt, in der bei Explosionen Menschen verletzt wurden oder ums Leben kamen. Kinder sind nicht so vorsichtig wie Soldaten. Wenn sie ein Spielzeugauto sehen oder einen Teddy, dann greifen sie danach.
Sait Cürükkaya (links) im Nordirak. Foto: Privat
Sowohl UNMAS, unterstützt von Deutschland als größter Gebernation mit fünf Millionen Euro, als auch die kurdische IKMAA warnen eindringlich, dass es zurzeit viel zu wenige Experten in der Region gibt, um die tödliche Hinterlassenschaften des IS zu beseitigen, und den Binnenflüchtlingen somit eine sichere Rückkehr in ihre Dörfer und Städte zu ermöglichen.
Es sind zwar einige spezialisierte Nichtregierungsorganisationen im Irak aktiv, aber das reicht bei weitem nicht aus. Auch nicht das bisherige Training, das beispielsweise die Bundeswehr in der irakischen Kurdenhauptstadt Erbil durchführt. Dort werden den kurdischen Peschmerga allenfalls Grundkenntnisse bei der Minenräumung beigebracht.
Gestorben in einem Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz
In Sindschar, der einstigen Jesidenhochburg im Nordwesten des Irak, hat sich gezeigt, wie lange es mit den jetzt vorhandenen Fähigkeiten und Experten dauert, bis eine Stadt gesäubert ist. Sindschar wurde im November 2015 befreit, die frühere 80.000-Einwohner-Stadt ist eine nahezu menschenleere Trümmerwüste. Erst vor kurzem erklärten die Peschmerga, die Stadt sei sicher, einigermaßen jedenfalls.
Krieg
Unser Reporter Jan Jessen ist unterwegs im Nordirak und erzählt von den Menschen, die dem Grauen des Daesh, des Islamischen Staates, entkommen sind.
Minen- und Sprengfallenräumung führten sie dort teils brachial durch, mit schwer gepanzerten Baggern, mit denen sie bombenverseuchte Häuser einfach überrollten und die Sprengfallen so zur zur Explosion brachten. In weniger zerstörten Siedlungen ist so ein rabiates Vorgehen nicht denkbar. Bis die mehr als drei Millionen Binnenflüchtlinge im Irak in ihre Heimatstädte und -dörfer zurückkehren können, werden deswegen Monate, wenn nicht Jahre vergehen, sofern die internationale Hilfe nicht verstärkt wird.
„Die Koalitionsmächte, die sich nicht mit Bodentruppen an der Operation beteiligen, müssen zumindest dringend Minen- und Bombenexperten entsenden. Die Kurden sind auf Experten-Teams in dieser Frage angewiesen. Der Erfolg in Mossul wird hiervon abhängen“, schrieb Sait Cürükkaya in seinem letzten Facebook-Eintrag.
Am Samstag erlag Sait Cürükkaya im Bundeswehr-Krankenhaus in Koblenz seinen Verletzungen. Beerdigt wird er in Bingöl.
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