THE GERMAN KURDISH CHAPTER

MESOP : DITIB – ERDOGANS PRÄSIDIUM FÜR RELIGIÖSE ANGELEGENHEITEN IM AUSLAND & DEN KOLONIEN

DITIB – Dschihadisten in Dinslaken – Mit dem Gestus der Salafisten (Link für Bilder klicken)

Muslimischen Verbänden fällt der Umgang mit salafistischer Propaganda schwer. Auch in Dinslaken. Der Beweis: Ein Foto eines Ditib-Mitgliedes mit einem jungen Mann in Dschihadisten-Pose.

13.07.2015, von Christoph Ehrhardt, Dinslaken (FAZ) + Bayrischer Rundfunk

Es dauert nicht lange, bis es etwas lauter wird in dem kleinen Arbeitszimmer in der Moschee. Mehrere Vorstandsmitglieder sitzen hier zusammen, die Stimmung ist dem Thema entsprechend. Es geht um ein Bild, das in den Räumen der Gemeinde entstand. Da steht Ali D., ein wuchtiger und energischer Mann aus dem Vorstand, der sich ehrenamtlich der Jugendarbeit angenommen hat, mit einem jungen Mann. Sie lächeln vergnügt in die Kamera, einen Arm auf die Schulter des anderen gelegt – den anderen erhoben zu einem Handzeichen, das man eigentlich nicht hier vermuten würde, in einer Einrichtung der Ditib, dem deutschen Ableger des türkischen Religionsamtes, Ankara-treu, dem türkischen Staatsislam verpflichtet.

Denn es ist eine Geste, wie man sie vor allem in radikalen Kreisen unter jungen Salafisten findet – der ausgestreckte Zeigefinger mit der Botschaft: „ein Gott, ein Staat“. Der junge Mann auf dem Foto trägt ein weißes T-Shirt. „Es gibt keinen Gott außer Gott“, ist in arabischen Buchstaben auf die Brust gedruckt und das Siegel des islamischen Propheten Mohammed – in der Anmutung, wie man sie auf dem schwarzen Banner von islamistischen Terrororganisationen wie dem „Islamischen Staat“ (IS) oder Al Qaida findet.

Über Dschihadismus spricht niemand gerne in Dinslaken, vor allem in Lohberg nicht, der alten Zechensiedlung, in der jetzt viele türkischstämmige Menschen leben. Etwa zwei Dutzend junge Männer sind 2013 aus Dinslaken in den Krieg nach Syrien gezogen, haben sich dem IS angeschlossen. Die meisten von ihnen stammten aus dem Viertel. Sie nannten sich „Lohberger Brigade“. Mindestens vier von ihnen kamen dort wohl um.

Tagesthemen-Beitrag über Salafisten nach Recherchen von F.A.Z. und „Report München“

 

Die Dschihadisten waren schon ausgereist, das Problem bekannt, als das Foto entstand, das den Dinslakener Moschee-Vorstand in Verlegenheit bringt. Die Politik und die Verwaltung, auch die islamischen Würdenträger in der Stadt, hatten die islamistischen Umtriebe immer wieder kleingeredet. Viele Lohberger würden das Thema am liebsten totschweigen, haben genug von den Fragen und Presseberichten. Doch die Propaganda der radikalen Islamisten sendet weiter in der Stadt am östlichen Rand des Ruhrgebiets. Das dschihadistische Netzwerk sei immer noch in Dinslaken und anderen Städten der Region aktiv, sagt ein Terrorfahnder.

Mindestens einer der jungen Männer, die aus Lohberg fortzogen, war in der Ditib aktiv gewesen, bevor er sich radikalisierte. Inzwischen verbreitet er Bilder von sich in Kampfmontur und fordert seine alten Freunde in Deutschland auf, seinem Beispiel zu folgen.

In den Aussagen aus dem Dinslakener Ditib-Vorstand mischen sich Trotz, Wut, Resignation und Vorwürfe. Ob er denn seine Religion verleugnen solle, fragt etwa Ali D. Schließlich sei die Ein-Finger-Geste auch schlicht als religiöses Statement zu verstehen, das die Einheit und Einzigkeit Gottes (Tauhid) bekräftigen solle. Und an den Worten „Es gibt keinen Gott außer Gott“ sei doch wohl auch nichts Anrüchiges. Er habe die Salafisten aus dem Viertel immer bekämpft, sagt er empört. Sie seien auch des Gebetshauses verwiesen worden. Er kenne den Jungen auf dem Bild, der sei in Ordnung, der sei doch kein Extremist. Der habe sich nichts dabei gedacht. Außerdem, heißt es aus dem Gemeindevorstand weiter, seien die ehrenamtlichen Mitarbeiter mit dem Problem überfordert. Und wie oft müsse man sich eigentlich noch von den radikalen Islamisten distanzieren?

Leichtes Ziel der Parolen der Hassprediger

Wussten der Junge und sein Jugendwart tatsächlich nicht einzuschätzen, welche Sprengkraft der ausgestreckte Zeigefinger und ein T-Shirt in Dschihadistenanmutung barg? Ob es sich nur um unbedachte Koketterie handelte oder einen unbedarften Schnappschuss – das Foto aus der Ditib-Moschee, von der die Frankfurter Allgemeine Zeitung und das ARD-Magazin „Report München“ im Zuge gemeinsamer Recherchen in Dinslaken erfuhren, zeigt exemplarisch, dass die islamischen Verbände in Deutschland nur schlecht in der Lage sind, sich den Parolen der Hassprediger und der Anziehungskraft der salafistischen Jugendkultur effektiv entgegenzustellen. Manche Gemeinde ist ein zu leichtes Ziel.

Bekir Alboga, der Dialogbeauftragte der Ditib, einer der führenden Funktionäre des türkischen Islamverbandes, wird einige Tage nach dem Treffen in Dinslaken bekräftigen, dass so etwas in einer Ditib-Moschee nicht mehr vorkommen werde. Natürlich sei das Bild problematisch, der Vorfall bedauerlich, sagt er. „Die Religion des Islams hat keine Symbole.“ Ali D. hat seinen Rücktritt angeboten, wie der Ditib-Dialogbeauftragte sagt. „Wenn die Führung sagt, er soll gehen, dann geht er. Er wartet auf unsere Bitte.“

Doch Alboga, der in einer ersten Reaktion noch ganz anders geklungen hatte, nimmt ihn in Schutz. Lange habe eine Abordnung der Bundesführung mit dem dortigen Moschee-Vorstand zusammengesessen und über den Vorfall gesprochen, sagt er. Ali D. sei immer gegen die Salafisten im Viertel eingetreten, habe einige Jungen davon abgehalten, nach Syrien zu reisen. „Wenn er zurücktritt, geht ein wertvoller Kämpfer gegen den Radikalismus verloren“, sagt Alboga. Er wolle vermeiden, dass ein Vakuum entsteht. Man werde in Dinslaken künftig wachsamer sein.

Eine Intrige aus den eigenen Reihen?

Das, was ein Dinslakener Gemeindemitglied, das namentlich nicht genannt werden will, berichtet, klingt weniger nach Reue und ernsthafter Aufarbeitung. Es herrsche Chaos, heißt es da. Es sollten aber nicht alle „ins Feuer geworfen werden“. Einer vielleicht. Man wittere eine Intrige aus den eigenen Reihen. Die Botschaft zwischen den Zeilen lautet: Es geht mehr darum, den eigenen Ruf zu retten, als sich dem Problem zu stellen.In den deutschen Sicherheitsbehörden werden Vorfälle wie derjenige in Dinslaken mit Sorge registriert. Nicht nur dort sickert die Propaganda der Salafisten in die etablierten Moscheegemeinden ein. Auch in anderen Gemeinden und anderen Verbänden hat es solche Probleme gegeben. In einer Gemeinde in Baden-Württemberg etwa, wo eine Jugendgruppe eine der bekanntesten salafistischen Hymnen im Chor sang. Ein erfahrener Islamismusfachmann, der die salafistischen Umtriebe schon seit vielen Jahren für die Behörden beobachtet, sagt, die großen Islamverbände seien zwar Opfer der salafistischen Propaganda, er sagt aber weiter: „Sie sind auch Teil des Problems.“ Er spricht von einer „offenen Flanke“ bei den großen Islamverbänden. Ein halbwegs geschickter Salafistenprediger habe in vielen Gemeinden leichtes Spiel.

„Stillschweigende Solidarität“

Da fehle immer wieder die „Fähigkeit zur Selbstkritik“, da gebe es zu oft „stillschweigende Solidarität“ der alten Herren in den Moscheevorständen gegenüber den fehlgeleiteten, wütenden jungen Männern und Frauen. Da sei der Wille, Landsleute und „Brüder“ nicht in ein schlechtes Licht zu rücken, oft größer als das Vertrauen in den deutschen Staat. Die Moscheevereine seien zu autoritär und patriarchalisch geführt, um junge Menschen in der Radikalisierungsspirale noch erreichen zu können, sagt der Staatsschützer. Stattdessen würden rebellische Jugendliche häufig nur mit einem Hausverbot belegt.

Doch solchen radikalen Problemfällen seien die etablierten Verbände mit ihrem „Schleimerislam“ oder „Spießerislam“, wie die Salafisten ihn nennen, ohnehin zu duckmäuserisch und bieder. Außerdem hätten viele der salafistischen Hassprediger oft den Vorteil, dass sie besser Deutsch sprächen als die aus der Türkei entsandten Imame – und meistens auch besser Arabisch. Dass in vielen türkischen Gemeinden Verschwörungstheorien, die etwa Israel als Wurzel allen Übels ausmachen, Konjunktur hätten, mache es nicht leichter.

Schweigen statt Distanzierung

All das kann man in Dinslaken erleben, wo der Mann, der als „Spinne im Netz“ der Lohberger Terrorzelle beschrieben wird, von den islamischen Gemeinden in den Schulausschuss gewählt worden war – weil er sich am besten ausdrücken konnte. Wo sich lange niemand daran störte, dass einstige Störenfriede Alkohol und Drogen durch islamistische Frömmigkeit ersetzten. Wo auch viele Monate später mancher immer noch überrascht tut über das Ausmaß der Missstände.

Wo die Ditib-Gemeinde sich immer wieder vom islamistischen Extremismus distanzierte, als das Thema Schlagzeilen machte. Wo aber viele Gemeindemitglieder lieber schwiegen, als alles anfing. Wo sogar dann noch beschwichtigt wurde, als die ersten Kämpfer der „Lohberger Brigade“ schon ums Leben gekommen waren. Wo Leute im Brustton der Überzeugung sagen, an dem Dschihadismusproblem in Lohberg sei doch auch eine Verschwörung um Israel und Amerika schuld.

Auch Dominic Musa S. hat solche politischen Parolen „nachgeplappert“, wie er „Report München“ und der F.A.Z. sagte. Der junge Mann war 2005 zum Islam konvertiert und hatte schnell Kontakt zu Salafisten wie Sven Lau, einem Anhänger des bekannten Salafistenpredigers Pierre Vogel. Lau hatte zuletzt Aufsehen erregt, als er mit anderen radikalen Islamisten als „Scharia-Polizei“ in Wuppertal patrouillierte. Er sei beeindruckt gewesen von der Motivation, der Entschiedenheit und der Opferbereitschaft seiner neuen Glaubensbrüder, sagt Dominic. Er weiß aus eigener Erfahrung, wie stark die Sogwirkung ist, die Leute wie Vogel und Lau erzeugen. Irgendwann, sagt er, sei er „wie ein Roboter“ gewesen.

„Wenn du perspektivlos bist und dich hier nichts mehr hält, und du im Internet diese Propaganda des IS siehst, die sagt: ,Kommt alle hierhin, unseren Geschwistern geht es so schlecht. Helft der Umma (der Gemeinschaft der Muslime), sei ein Teil der Umma, sei nützlich, dann lässt mancher alles stehen und liegen.“ Wer in Deutschland keine Perspektive habe, der habe in Syrien die Aussicht auf den Märtyrertod und das Paradies. Dominic konnte sich befreien aus der Fängen der salafistischen Ideologie. Jetzt will er sich in der Präventionsarbeit einbringen, schreibt ein Buch über seine Erfahrungen. Er habe erkannt, dass er sich in einem Gefängnis befand, sagt er. Dann begann er, nachzudenken – und Zweifel zuzulassen. http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/f-a-z-und-report-muenchen-berichten-ueber-dschihadisten-in-dinslaken-13699018.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2